Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
bereits einen Läufer vorausgeschickt, zu Lady Bresinga auf Burg Tosen, mit dem Ersuchen um Gastfreundschaft. Man wird nicht ablehnen. Fürst Leuenfarb ist die schillerndste Erscheinung am Hof seit langem; ihn in ihrem Haus willkommen heißen zu dürfen, ist für sie ein gesellschaftlicher Coup.«
Er verstummte, aber ich war es, der tief einatmete. Ich schüttelte den Kopf, als könnte ich dadurch mein Denkvermögen in Gang setzen und endlich begreifen, wovon er redete. »Der Narr geht nach Tosen, um Pflichtgetreu zu suchen?«
»Oha!« Chade hob mahnend den Zeigefinger. »Fürst Leuenfarb begibt sich nach Tosen zur Vogeljagd. Sein Diener, Tom Dachsenbless, wird ihn selbstverständlich begleiten. Meine Hoffnung geht dahin, dass es euch beim Stöbern nach bunten Vögeln gelingt, die Fährte des Prinzen aufzunehmen. Aber das ist natürlich unsere geheime Mission.«
»Dann reite ich mit ihm.«
»Selbstverständlich.« Chade musterte mich forschend. »Geht es dir gut, Fitz? Du scheint heute Morgen etwas schwer von Begriff.«
»Das bin ich auch. Es geht alles so schnell.« Ich sagte ihm nicht, dass ich mich daran gewöhnt hatte, selbst über mein Leben und meine Wege zu bestimmten. Es war ein merkwürdiges Gefühl, plötzlich wieder dem Gebot eines anderen Menschen zu folgen, wie früher. Ich schluckte meinen Protest hinunter. Was hatte ich erwartet? Wenn wir Prinz Pflichtgetreu finden wollten, war dies ein guter Plan. Ich bemühte mich, eine neue Grundlage für meine Vermutungen zu finden. »Hat Lady Bresinga eine Tochter?«
Chade dachte nach. »Nein. Nur den einen Sohn, Gentil. Wenn ich mich recht entsinne, lebte eine Zeitlang eine Cousine bei ihnen. Sie ist, hm, sie müsste jetzt dreizehn Jahre alt sein. Seit dem Frühling ist sie wieder zu Hause.«
Ich schüttelte den Kopf, sowohl verneinend als auch vor Staunen. Offenbar hatte Chade sein Wissen die Familie Bresinga betreffend über Nacht aufgefrischt. »Ich habe eine Frau gespürt, nicht ein Kind. Eine reizvolle Frau.« Fast hätte ich gesagt, »verführerisch«. Wenn ich an die vergangene Nacht zurückdachte, wurde der Traum wieder lebendig und auch die Erinnerung daran, wie sie mein Blut in Wallung gebracht hatte. Lockend. Erotisch. Ich sah Chade an. Er musterte mein Gesicht mit unverkennbarer Bestürzung. Ich stellte die nächste Frage. »Hat Pflichtgetreu Interesse an einer Frau gezeigt? Könnten sie zusammen weggelaufen sein?«
»Um Edas Willen!«, rief Chade inbrünstig aus. »Nein.« Er wehrte diese Vorstellung fast leidenschaftlich ab. »Es gibt keine Frau in Prinz Pflichtgetreus Leben, kein weibliches Wesen, zu dem er sich hingezogen fühlt. Wir haben mit großer Sorgfalt darauf geachtet, dass er keine Gelegenheit hat zarte Bande zu knüpfen. Vor Jahren haben Kettricken und ich beschlossen, dass es so am Besten ist.« Ruhiger fügte er hinzu: »Die Königin wollte nicht, dass ihr Sohn leidet, wie du gelitten hast, zerrissen zwischen Herz und Pflicht. Hast du dich nie gefragt, wie anders alles gekommen wäre, ohne deine Liebe zu Molly? Wenn du in die von uns vorgeschlagene Vermählung mit Lady Zelerita eingewilligt hättest?«
»Doch, ich habe es mich gefragt. Aber es wird mir niemals Leid tun, Molly geliebt zu haben.«
Ich denke, die Vehemenz in meiner Stimme bewog Chade, dieses Thema nicht weiter zu verfolgen. »Jedenfalls gibt es keine derartige Liebe in Prinz Pflichtgetreus Leben«, erklärte er im Brustton der Überzeugung.
»Es gab sie nicht. Vielleicht gibt es sie jetzt.«
»Dann bete ich darum, dass es sich um eine jugendliche Verwirrung der Sinne handeln möge, eine, die man rasch …« er suchte nach einem passenden Ausdruck, »abwürgen kann«. Sein Gesicht verzog sich, als wäre er selbst über seine Wortwahl erschrocken. »Der Junge ist bereits versprochen. Schau mich nicht so an, Fitz.«
Gehorsam wandte ich den Blick ab. »Ich denke nicht, dass er sie schon lange kennt. Das Geheimnis, das sie umgibt, macht einen Teil ihrer Anziehungskraft aus.«
»Dann müssen wir alles daransetzen, ihn schnellstens wieder nach Hause zu holen, solange der Schaden sich noch in Grenzen hält.«
Die nächste Frage stellte ich nur für mich. »Und wenn er nicht den Wunsch hat, nach Hause zurückzukehren?«
Chade schwieg einen Moment, dann sagte er brutal: »Du musst tun, was du für das Beste hältst.«
Meine Bestürzung muss sich auf meinem Gesicht wiedergespiegelt haben, denn er lachte laut. »Schließlich hat es wenig Zweck, mir vorzumachen, dass
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