Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
du etwas anderes tust, nicht wahr?« Er holte tief Atem, stieß ihn schnaubend aus. »Fitz, ich bitte dich nur um eins. Dass du in großen Begriffen denkst. Eines Jünglings Herz ist ein kostbar Ding, ebenso wie eines Mannes Leben. Aber das Wohlergehen des gesamten Volkes der Sechs Provinzen und der Äußeren Inseln ist noch viel kostbarer. Also – tu, was du für das Beste hältst. Aber erst wenn du ganz sicher bist, dass du gründlich darüber nachgedacht hast.«
»Ich kann nicht glauben, dass du mir in einem solchen Ausmaß freie Hand lässt.«
»Nein? Nun, vielleicht kenne ich dich besser als du denkst.«
»Vielleicht.« Doch im Stillen bezweifelte ich, dass er mich wirklich so gut kannte, wie er glaubte.
»Tja, du bist erst vor ein paar Tagen angekommen und schon muss ich dich wieder wegschicken.« Chade schlug mir auf die Schulter, aber sein Lächeln wirkte gezwungen. »Glaubst du, du kannst in einer Stunde fertig sein?«
»Ich habe nicht viel zu packen. Aber ich muss noch einen Weg hinunter in den Ort machen, um bei Jinna eine Nachricht für Harm zu hinterlassen.«
»Darum kann ich mich kümmern.«
Ich schüttelte den Kopf. »Sie kann nicht lesen, und wenn ich Tom Dachsenbless sein soll, dann lasse ich nicht andere für mich Botengänge tun. Ich gehe selbst.« Ich sagte ihm nicht, dass ich großen Wert darauf legte, selbst zu gehen.
»Wie du willst. Ich schreibe dir einen Brief für den Jungen, den er Meister Gindast geben kann, wenn er wegen der Lehrstelle bei ihm vorspricht. Das Übrige wird diskret in die Wege geleitet, ich verspreche es. Der gute Meister wird glauben, er erwirbt sich die Gunst eines seiner vornehmsten Kunden, wenn er Harm in die Lehre nimmt.« Chade machte eine kurze Pause. »Du weißt, wir können nicht mehr tun, als dem Jungen eine Chance geben, sich zu beweisen. Ich kann Gindast nicht zwingen, ihn zu behalten, wenn sich herausstellt, dass Harm zwei linke Hände hat. Oder dass er faul ist.« Er griente über meinen empörten Gesichtsausdruck. »Obwohl ich überzeugt bin, keins von beiden trifft zu. Gib mir eine Minute, um den Brief zu schreiben.«
Wie nicht anders zu erwarten, dauerte es länger als eine Minute. Als ich das Schreiben endlich in der Hand hielt, musste ich mich sputen, dem enteilenden Morgen auf den Fersen zu bleiben.
Fürst Leuenfarb befand sich in seinen Gemächern. Er schnalzte missbilligend über meinen zerknitterten Aufzug und befahl mir, die neuen Kleider von Meister Scrandon abzuholen, damit ich für die bevorstehende Reise entsprechend ausgestattet war. Er informierte mich, dass wir ohne Begleitung reisen würden und schnell. Fürst Leuenfarb genoss bereits eine Reputation für sowohl exzentrisches Verhalten als auch Abenteuerlust. Niemand würde diese spontane Expedition verwunderlich finden. Er teilte mir außerdem mit, er habe höchstpersönlich ein Pferd für mich ausgesucht und Auftrag gegeben, es neu zu beschlagen. Eine Stute. Beim Schmied abzuholen. Da er angenommen hätte, dass ich Sattel und Zaumzeug nach eigenem Augenmaß kaufen wollte – hier, ein Kreditbrief. Er war bei diesem Gespräch in jeder Minute bis zur kleinsten Nuance Fürst Leuenfarb, und ich war sein treuer Diener Tom Dachsenbless. Das waren die Rollen, in die wir uns so schnell wie möglich einleben mussten. Uns durften keine Fehler unterlaufen, wenn wir uns erst in der Öffentlichkeit bewegten. Als ich mich endlich auf den Weg in den Ort hinunter machte, hatte ich ein Dutzend Besorgungen zu erledigen, und die Sonne wanderte viel zu schnell über den Himmel.
Meister Scrandon stahl mir Zeit mit seinem Beharren auf einer letzten Anprobe, um eventuell erforderliche Nachbesserungen vornehmen zu können. Ich lehnte ab und beleidigte ihn damit, dass ich nicht einmal das Bündel aufschnürte und die Kleidungsstücke begutachtete. Sein ganzes Gehabe ließ erkennen, dass der gute Meister gewöhnt war, die Übergabe seiner Kreationen zu zelebrieren, doch ich sagte ihm unumwunden, mein Herr hätte mir befohlen, mich zu sputen. Er schniefte und meinte, in dem Fall müsse er jede Verantwortung ablehnen, wenn Passform ungenügend sei. Ich versicherte ihm, er hätte von mir keine Reklamationen zu befürchten, und verließ mit dem unangenehm sperrigen Paket seine Werkstatt.
Mein nächster Weg führte mich zu Jinna, aber dort erwartete mich eine Enttäuschung. Sie war nicht zu Hause und ihre Nichte konnte mir nicht sagen, wann mit ihrer Rückkehr zu rechnen sei. Finkel kam, um mich zu
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