Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
leichte Veränderung in Fürst Leuenfarbs Haltung verriet, dass er mich gehört hatte, doch Malta reagierte und fiel in Trab. Meine Schwarze war nicht gesonnen, der anderen Stute den Vortritt zu lassen. Sie streckte sich und nach vier Sprüngen hatten wir uns an die Spitze gesetzt. Ich ließ sie laufen, während ich den Blick auf den Boden gerichtet hielt.
Es sah aus, als hätten der Prinz und seine Begleiter auf den Schutz einer kleinen Baumgruppe zugehalten, ein Entschluss, der meine Billigung fand. Mir war ebenfalls daran gelegen, möglichst schnell in Deckung zu kommen. Ich ermunterte Meine Schwarze zu einem kurzen Galopp und führte uns alle direkt in den Hinterhalt.
Ein gedanklicher Warnruf von Nachtauge veranlasste mich, Meine Schwarze zur Seite zu reißen, und der Pfeil traf Laurel, die mit einem Aufschrei zu Boden stürzte. Eigentlich war ich das Ziel gewesen. Schreck und Wut flammten in mir auf, und ich spornte Meine Schwarze schnurgerade zu der Baumgruppe hin. Zu meinem Glück gab es nur einen Bogenschützen, und der hatte noch keine Gelegenheit gehabt, einen zweiten Pfeil aufzulegen. Als Meine Schwarze mich unter den tief hängenden Zweigen hindurchtrug, stellte ich mich in die Steigbügel, bekam wunderbarerweise gleich einen kräftigen Ast zu packen und schwang mich hinauf. Der Bogenschütze versuchte, mit dem Pfeil nach mir zu stechen, aber das Gewirr der kleinen Zweige behinderte ihn. Keine Zeit, sich über die Folgen Gedanken zu machen. Ich sprang ihn an, und wir stürzten in einem Knäuel aus zwei Männern und Bogen durch das Geäst. Ein vorstehender Zweig brach mir fast die Schulter, wir drehten uns in der Luft und bei der Landung kam ich unten zu liegen.
Der Aufprall rammte mir den Atem aus dem Brustkorb. Ich war gelähmt, konnte denken, aber nichts tun, mich nicht einmal von dem Gewicht des verhinderten Attentäters befreien, das auf mir lastete. Nachtauge kam mir zur Hilfe, ein zähnefletschender Wirbelsturm, der den Jüngling von mir herunterfegte. Ich spürte den überraschten Versuch meines Angreifers, gegen Nachtauge zu stemmen, aber wie es schien, war er zu benommen, um viel Kraft hineinzulegen. Während sie neben mir kämpften, lag ich auf dem Rücken und rang panisch nach Luft. Der Mann schlug mit den Fäusten um sich, aber Nachtauge wich aus und grub die Zähne in seinen Unterarm. Der Gescheckte brüllte und stieß mit den Füßen nach dem Wolf. Ich spürte den heftigen Tritt gegen die Rippen. Nachtauge ließ nicht los, aber seine Kiefer lockerten sich. Als der Mann sein blutendes Handgelenk zwischen den Zähnen des Wolfs hervorriss, hatte ich mich endlich so weit erholt, dass ich eingreifen konnte.
Auf dem Rücken liegend, trat ich ihm mit dem Stiefelabsatz gegen den Kopf, dann warf ich mich herum und auf ihn. Meine Hände schlossen sich um seinen Hals, während Nachtauge sich in seinen rechten Unterschenkel verbiss. Der Mann zappelte und wand sich hin und her, doch gelang es ihm nicht, sich zu befreien. Nachtauge riss und zerrte an seinem Bein. Ich drückte ihm die Kehle zu und ließ nicht nach, bis ich spürte, wie er unter mir erschlaffte. Selbst dann noch ließ ich eine Hand an seiner Gurgel, während ich mit der anderen mein Gürtelmesser zog. Die Welt war für mich zu einem trübroten Kreis geschrumpft, in dem ich sein Gesicht sah.
»… töten! Nicht töten! Tu es nicht!«
Fürst Leuenfarbs Rufe drangen in mein Bewusstsein, als ich dem Gescheckten schon das Messer an die Kehle setzte. Nie hatte ich weniger Lust gehabt, auf ihn zu hören, doch als mein Blick sich wieder klärte, merkte ich, dass ich in das Gesicht eines Jünglings schaute, der nicht viel älter war als Harm. Die blauen Augen quollen ihm aus den Höhlen, vor Todesangst und auch, weil er dem Ersticken nahe war. Irgendetwas hatte ihm bei unserem Sturz eine Seite des Gesichts zerschrammt; Blut stand in feinen Linien, wie mit Tinte gemalt, über den Rissen an seiner Wange. Ich lockerte meinen Würgegriff, und Nachtauge ließ sein Bein los, aber zur Sicherheit blieb ich rittlings auf seinem Oberkörper sitzen, und auch das Messer nahm ich nicht von seinem Hals. Ich hegte keine sentimentalen Illusionen bezüglich der Unschuld bartloser Jünglinge. Wir hatten bereits ein Beispiel dessen gesehen, was er zu tun bereit war. Wenn sich die Möglichkeit bot, würde er nicht zögern, mich zu ermorden. Ohne den Blick von dem Burschen abzuwenden, fragte ich den Narren: »Ist Laurel tot?«
»Nicht ganz!« Es war ihre Stimme,
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