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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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die mir antwortete, erbost und sehr lebendig. Etwas wacklig kam sie zu uns herüber. Ein kurzer Blick zeigte mir, dass sie mit einer Hand ihre Schulter umklammerte. Blut quoll zwischen ihren Fingern hindurch. Den Pfeil hatte sie bereits herausgezogen.
    »Ist die Spitze auch heraus?«, fragte ich sofort.
    »Ich hätte die Finger davon gelassen, wenn ich nicht gewusst hätte, dass ich das ganze Ding herauskriege«, schnappte sie. Schmerzen hatten offenkundig keine günstige Auswirkung auf ihr Temperament. Ihr Gesicht war blass, aber auf ihren Wangen brannten zwei rote Flecken. Sie richtete den Blick auf den Jungen, den ich mit meinem Gewicht auf die Erde klemmte, und ihre Augen wurden sehr groß. Ich hörte, wie sie zwischen den Zähnen hindurch den Atem einsog.
    Nachtauge stand hechelnd neben mir. Wir dürfen hier nicht bleiben. Der Gedanke war schmerzbeschwert. Andere könnten kommen. Die uns folgen oder die vor uns sind. Mir entging nicht, wie der Junge die Stirn runzelte.
    Ich musterte Laurel. »Kannst du reiten? Weil wir nicht warten können. Wir müssen ihn verhören, aber nicht jetzt. Hier sitzen wir auf dem Präsentierteller und genau in der Zange zwischen den rachedurstigen Dörflern und seinen Freunden, falls sie umkehren, um nachzusehen, wo er bleibt.«
    In ihren Augen konnte ich erkennen, dass sie sich der Antwort auf meine Frage nicht ganz sicher war, aber sie schwindelte tapfer. »Ich kann reiten. Brechen wir auf. Auch ich habe ein paar Fragen, die ich dem Herzchen stellen möchte.« Der Gescheckte starrte sie an, sichtlich in Angst versetzt ob der vielsagenden Drohung in ihrer Stimme. Plötzlich bäumte er sich unter mir auf, versuchte zu entkommen. Ich schlug ihm mit dem Handrücken ins Gesicht. »Lass das bleiben. Es ist viel einfacher für mich, dich zu töten, als dich mitzuschleppen.«
    Er wusste, dass ich die Wahrheit sagte. Sein Blick flog zu Leuenfarb, kehrte über Laurel zu mir zurück. Blut lief aus seiner Nase, er schaute zu mir auf, und ich erkannte den fassungslosen Ausdruck in seinem Gesicht. Dies war ein junger Mann, der zwar getötet hatte, aber nie zuvor in unmittelbarer Gefahr gewesen war, selbst getötet zu werden. Ich fühlte mich unerklärlich qualifiziert, ihm zu dieser Erfahrung zu verhelfen. Unzweifelhaft hatte ich mich früher einmal genau des gleichen Mienenspiels schuldig gemacht.
    »Hoch mit dir.« Vor fünfzehn Jahren hätte ich der Aufforderung Nachdruck verliehen, indem ich ihn vom Boden hochriss. Heute begnügte ich mich damit, ihn an der Hemdbrust gepackt zu halten, aber aufstehen musste er schon selbst. Ich war von unserem Handgemenge außer Atem und nicht gesonnen, meine Reserven für eine Demonstration von Muskelkraft aufzubrauchen. Nachtauge legte sich auf das Moospolster unter dem Baum und hechelte hemmungslos.
    Geh in Deckung! , dachte ich zu ihm hin.
    Gleich.
    Der Gescheckte schaute von mir zu dem Wolf und wieder zu mir, in seinen Augen spiegelte sich Verwirrung. Ich mied seinen Blick, während ich den Lederriemen durchschnitt, der seinen Hemdkragen zusammenhielt. Er zuckte zusammen, als die Klinge ihn mit einem kleinen Ruck zertrennte. Ich zog den Riemen heraus und drehte ihn grob herum. »Deine Hände!« Ohne Sträuben legte er sie auf dem Rücken zusammen, sein Kampfgeist schien erloschen zu sein. Die Bissspuren an seinem Handgelenk bluteten noch, aber ich nahm darauf keine Rücksicht. Als ich von dem letzten Knoten aufblickte, sah ich, wie Laurel meinen Gefangenen finster beäugte. Vielleicht hatte bisher noch niemand versucht, sie zu töten. Das erste Mal ist immer etwas Besonderes.
    Fürst Leuenfarb half Laurel aufs Pferd. Wie ich sie kannte, hätte sie seine Hilfe gern zurückgewiesen, wagte es aber nicht. Darum bitten zu müssen, nachdem sie es allein versucht hatte, wäre noch demütigender gewesen. Es sah ganz danach aus, dass Meine Schwarze das Los traf, den Gefangenen und mich zu tragen. Weder die Stute noch ich waren glücklich darüber. Ich hob den Bogen des Gescheckten auf und nach kurzem Zögern warf ich ihn in die Baumkronen hinauf, wo er sich verhedderte und hängen blieb. Mit etwas Glück würde niemand ihn entdecken. Der Blick, mit dem er ihm nachschaute, sagte mir, dass ihm sein Bogen kostbar gewesen war.
    Ich griff nach Meine Schwarzes Zügeln. »Ich steige jetzt auf«, erklärte ich dem Gefangenen. »Dann reiche ich dir den Arm hinunter und ziehe dich hinter mir aufs Pferd. Falls du Geschichten machst, verpasse ich dir eins und lasse dich

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