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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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nennen sich selbst Altes Blut. Der Wirt erzählte, sie hätten hochfliegende Ideen. Sie würden gern wieder an die Macht gelangen, wie in den Tagen des Gescheckten Prinzen. Aber wenn es dazu kommt, werden sie sich an uns allen rächen. Solche, die nicht über die Alte Macht gebieten, werden ihre Sklaven sein. Und wer sich ihnen entgegenstellt, wird den Geschwistertieren der Zwiehaften zum Fraße vorgeworfen.« Seine Stimme erstarb. Er räusperte sich. »Merle hat mir gesagt, das wäre dummes Zeug, die Zwiehaften wären nicht so. Sie sagte, die meisten von ihnen wollten nichts weiter, als in Ruhe gelassen werden, um in Frieden zu leben.«
    Ich war überrascht von der heißen Dankbarkeit, die ich für Merle empfand. »Nun ja. Sie ist eine Vagantin. Vaganten begegnen allen möglichen Leuten und kennen sich aus in der Welt. Du kannst ruhig glauben, was sie dir gesagt hat.«
    Er hatte mir viel Stoff zum Nachdenken gegeben. Ich konnte mich kaum noch auf den Rest seiner Erlebnisse beim Frühlingsfest konzentrieren. Er war fasziniert von einer wilden Mär, dass man in Bingtown Dracheneier ausbrütete und dass schon bald Städte einen Bingtown-Drachen als Wächter und Verteidiger haben würden. Ich versicherte ihm, ich hätte echte Drachen gesehen, und diese Geschichten wären hanebüchener Unfug. Wirklichkeitsnäher waren die Gerüchte, dass Bingtowns Krieg mit Chalced sich in die Sechs Provinzen ausweiten könnte. »Kann der Krieg auch bis hierher kommen?«, wollte er wissen. Jung wie er war, hatte er nur vage, aber beunruhigende Erinnerungen an unseren Krieg mit den Roten Schiffen. Trotzdem, er war ein Junge, und ein Krieg hatte für ihn ebenso viel Reiz wie ein Frühlingsfest.
    »›Früher oder später ist immer Krieg mit Chalced‹«, zitierte ich das alte Sprichwort. »Selbst wenn wir nicht im Krieg mit Chalced liegen, gibt es immer Scharmützel an der Grenze, Piraterie und Raubzüge. Kein Grund zur Beunruhigung. Shoaks und Rippon fangen das meiste davon ab, mit Vergnügen. Dem Herzog von Shoaks wäre nichts lieber, als sich noch ein großes Stück von Chalced einzuverleiben.«
    Danach wandte sich das Gespräch den unverfänglicheren Höhepunkten seines ersten Frühlingsfestes zu. Er schwärmte von Gauklern, die brennende Keulen und blanke Klingen von einer Hand in die andere warfen, wiederholte die besten Juxe aus einer derben Posse der Puppenspieler und erzählte von einer hübschen Krudhexe mit Namen Jinna, die ihm einen Talisman gegen Langfinger verkauft und versprochen hatte, uns einmal hier draußen zu besuchen. Ich lachte laut auf, als er mir beichtete, dass ihm noch in der nämlichen Stunde der Talisman von einem Taschendieb entwendet worden war. Er hatte Sauerfisch probiert und sehr schmackhaft gefunden, bis er an einem Abend zu viel Wein trank und die ganze Mahlzeit wieder ausspuckte. Er schwor, der Geschmack wäre ihm jetzt auf ewig zuwider. Ich ließ ihn reden und war froh, dass er endlich Freude daran hatte, seine Erlebnisse mit mir zu teilen. Und doch, jede Episode, die er schilderte, führte mir deutlicher vor Augen, dass Harm meinem einfachen Leben entwachsen war. Höchste Zeit, dass ich für ihn eine Lehrstelle fand, und er sich auf eigene Füße stellte.
    Einen Augenblick lang fühlte ich mich wie am Rand eines Abgrunds. Ich musste Harm in die Hände eines Meisters geben, der ihn ein ordentliches Handwerk lehrte, und ich musste Merle aus meinem Leben streichen. Mir war klar, wenn ich sie nicht mehr in meinem Bett haben wollte, würde sie sich nicht dazu erniedrigen, mich als Freundin weiter zu besuchen. Die ganze behagliche Gemeinschaft der letzten Jahre wäre ausgelöscht. Harms Stimme plätscherte weiter, die Worte fielen um mich herum wie ein sanfter Regen. Der Junge würde mir fehlen.
    Nachtauge legte den Kopf auf mein Knie. Er blickte unverwandt ins Feuer. Früher hast du davon geträumt, dass wir allein wären, du und ich.
    Eine Verschwisterung durch die Alte Macht lässt wenig Raum für höfliche Täuschung. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich so sehr nach Gesellschaft meiner eigenen Art sehnen könnte, gestand ich.
    Ein kurzes phosphoreszierendes Leuchten aus seinen unergründlichen Augen. Nur wir sind unsere eigene Art. Das war stets das Hindernis bei den Bindungen, die wir mit anderen einzugehen versuchten. Sie waren Wölfe oder sie waren Menschen. Aber sie waren nie von unserer Art. Nicht einmal jene, die sagen, sie wären vom alten Stamm, sind so eng verbunden wie wir.
    Natürlich hatte

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