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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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tun?«
    Eine ausgezeichnete Frage. Eine, der ich sorgsam ausgewichen war. »Ich weiß noch nicht«, log ich.
    »Merle sagte, es ginge mich nichts an, dass es niemandem schadet. Sie sagte, wenn ich es dir erzähle, bin ich derjenige, der grausam ist, und dass ich dir wehtue und nicht ihr. Sie sagte, dass sie immer dafür gesorgt hat, dir keine Schmerzen zuzufügen, dass du in deinem Leben genug gelitten hättest. Als ich sagte, du hättest das Recht, Bescheid zu wissen, behauptet sie, du hättest ein größeres Recht, nicht Bescheid zu wissen.«
    Merles goldene Zunge. Sie hatte ihn in eine moralische Zwickmühle manövriert.
    Harm schaute mich mit dem Blick eines treuen Hundes an, und wartete auf meinen Urteilsspruch. Ich sagte ihm, was ich wirklich fühlte. »Mir ist es lieber, dass du mir die Wahrheit gesagt hast, als dass zu zuschaust, wie man mich betrügt.«
    »Dann habe ich dir wehgetan?«
    Ich schüttelte langsam den Kopf. »Ich habe mir das alles selber zuzuschreiben.« Und so war es. Ich war kein Vagant, ich hatte kein Recht wie ein Vagant zu leben. Jene, die ihr Brot mit Sang und Spiel verdienen, sind vielleicht aus härterem Stoff gemacht als wir anderen. »Eher erbarmt sich ein Wolf des Lammes, als dass ein Vagant die Treue hält«, sagt das Sprichwort. Ob Merles Ehemann es kannte?
    »Ich hatte Angst, du würdest zornig werden. Sie warnte mich, du könntest so wütend werden, dass du ihr etwas antust.«
    »Und das hast du geglaubt?« Dass er mich dessen für fähig hielt, traf mich ebenso hart wie die Enthüllung über Merle.
    Er sog scharf den Atem ein, zögerte und sprudelte dann hervor: »Du bist aufbrausend. Und ich musste dir bisher nie etwas wirklich Schlimmes sagen. Etwas, wobei du glaubst, man hätte dich zum Narren gemacht.«
    Kluges Bürschchen. Hellsichtiger, als ich gedacht hatte. »Ich bin wütend, Harm. Ich bin wütend auf mich selbst.«
    Er schaute ins Feuer. »Ich komme mir selbstsüchtig vor, weil ich mich jetzt besser fühle.«
    »Aber ich bin froh, dass es dir besser geht. Ich bin froh, dass wir uns wieder verstehen. Nun aber, vergiss das alles und erzähl mir vom Rest des Frühlingsfestes. Wie findest du Burgstadt?«
    Er redete, und ich hörte zu. Er hatte die Bocksburg und das Fest mit den Augen eines Halbwüchsigen gesehen und im Lauf seines Berichts wurde mir bewusst, wie sehr die Burg und auch die Stadt sich während meiner Tage dort verändert hatten. Die Stadt hatte Platz gefunden, um zu wachsen, die steilen Klippen hinauf und auf Pfählen ins Meer hinaus. Er beschrieb schwimmende Tavernen und Kontore. Er berichtete auch von Kaufleuten aus Bingtown und von den Ennets sowie von den Äußeren Inseln. Burgstadt hatte sich zu einem Handelshafen von Bedeutung entwickelt. Als er von der Großen Halle oben in der Burg erzählte und seinem Quartier als Merles Gast, begriff ich, dass sich auch dort eine Menge verändert hatte. Teppiche und Springbrunnen kamen in seiner Schilderung vor, Tapisserien an jeder Mauer und Polsterstühle und glitzernde Kronleuchter. Ich fühlte mich mehr an Edels prunkvolle Residenz in Fierant erinnert, als an die Trutzburg, wo ich zu Hause gewesen war. Chades Einfluss ebenso wie Kettrickens, vermutete ich. Der alte Assassine hatte immer ein Faible für schöne Dinge gehabt, erst recht für Bequemlichkeit. Hatte ich nicht erst kürzlich ihm gegenüber noch einmal meinen Entschluss bekräftigt, nie mehr nach Bocksburg zurückzukehren? Weshalb war es dann so niederschmetternd zu erfahren, dass der Ort aus meiner Erinnerung, die schroffe Festung aus schwarzem Stein, nicht mehr so existierte, wie ich sie gekannt hatte?
    Harm hatte noch mehr zu berichten, von den Dörfern und Weilern, durch die sie auf dem Hin-und Rückweg gekommen waren. Eine davon legte sich mir wie eine kalte Hand um mein Herz. »An einem Morgen in Hardins Höft habe ich eine Todesangst gehabt«, fing er an, und ich stutzte, denn der Name des Ortes sagte mir nichts. Ich hatte mitbekommen, am Rande, dass viele der Menschen, die während der Jahre der Korsarenüberfälle ihre Dörfer verlassen hatten, zurückgekehrt waren und neue Siedlungen gründeten, nicht immer auf den Ruinen der alten. Ich nickte aber, als wüsste ich Bescheid. Als ich das letzte Mal durchgekommen war, war Hardins Höft vermutlich nur eine Ausweichstelle an der Straße gewesen. Bei seiner Erzählung waren Harms Augen groß und ich wusste, Merles Verrat war für den Moment in Vergessenheit geraten.
    »Es war auf dem Weg zum

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