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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Kälte wogte wie Dunst in den warmen Raum. Eine Sekunde lang schaute er uns nur an. Dann schüttelte er sich die Feuchtigkeit aus dem Fell. Merle erstarrte. »Der Wolf. Ich hatte ihn fast vergessen – er ist immer noch bei dir?«
    »Wir sind immer noch zusammen. Natürlich.« Ich wollte die Hand wegziehen, aber sie hielt sie fest.
    »Es macht mir nichts aus. Glaube ich.« Ihre Miene verriet Unbehagen. »Aber muss er – hier drin sein?«
    Nachtauge schüttelte sich wieder. Er blickte Merle an und dann zur Seite. Die Kälte im Raum kam nicht allein von der offenstehenden Tür. Das Fleisch wird kalt und steif, wenn ich auf dich warte.
    Dann warte nicht, erwiderte ich pikiert.
    Er driftete nach draußen, zurück in den Nebel. Ich spürte, wie er sein Bewusstsein gegen uns verschloss. Eifersucht oder Taktgefühl, fragte ich mich. Ich ging hin und schloss die Tür, blieb stehen, die Hand auf der Klinke, beunruhigt von Nachtauges Reaktion. Merles Arme schlossen sich von hinten um mich und als ich mich zu ihr umdrehte, fand ich sie nackt und bereit. Ich traf keine Entscheidung. Unsere Vereinigung geschah mehr oder weniger auf dieselbe Art wie die Nacht hereinbricht.
    Rückblickend fragte ich mich, ob sie es so geplant hatte. Nein. Merle hatte diesen Bereich meines Lebens vereinnahmt, wie sie gedankenlos am Wegesrand die süßen Beeren pflückte. Sie sind da, sie sind süß, weshalb sie nicht genießen? Wir waren Liebende geworden, ohne von Liebe zu sprechen, als wäre unser gemeinsames Lager unvermeidlich. Liebte ich sie, selbst jetzt noch, nach all den Jahren des Kommens und Gehens in meinem Leben?
    Diese Gedanken zu denken war ebenso gespenstisch wie die Beschäftigungen mit den Relikten aus meinem alten Dasein, die Chade mitgebracht hatte. Früher einmal waren solche Überlegungen mir so wichtig vorgekommen. Ich liebte Molly, liebte Molly mich? Liebte ich sie mehr, als ich meinen König liebte, war sie mir wichtiger als meine Pflicht? Als Jüngling hatte ich mich mit diesen Fragen gequält, aber mit Merle hatte ich gar nicht in solchen Bahnen gedacht. Bis jetzt.
    Doch wie immer waren die Antworten vielschichtig. Ich liebte sie nicht als jemanden, den ich mit Bedacht ausgewählt hatte, um mein Leben zu teilen, sondern als vertrautes Detail meines Daseins. Sie zu verlieren war, als ob ich auf die Feuerstelle im Zimmer verzichten sollte. Ich war abhängig geworden von ihrer sporadischen Wärme. Mir war klar, ich musste ihr sagen, dass ich nicht weitermachen konnte wie bisher. Das bange Gefühl, das ich empfand, erinnerte mich daran, wie die Minuten geschlichen waren, während ich die Schranken meiner Seele gegen die Heilerin verschloss, als sie die Pfeilspitze aus meinem Rücken operierte. Heute versteifte ich mich fast genauso in Erwartung bevorstehender großer Schmerzen.
    Ein Rascheln von der Bettstatt her sagte mir, dass sie erwachte. Ihre bloßen Füße tappten über die Dielen. Ich schüttete das kochende Wasser über die Teeblätter und schaute mich nicht um. Es war mir unmöglich, sie anzusehen. Trotzdem kam sie nicht näher oder streckte die Hand aus, um mich zu berühren. Nach einer Weile brach sie das Schweigen.
    »Harm hat es dir gesagt.«
    »Ja.«
    »Und du hast beschlossen, deshalb alles zwischen uns kaputtzumachen.«
    Darauf schien es keine Antwort zu geben.
    Ärger schlich sich in ihre Stimme. »Du hast deinen Namen geändert, aber nach all diesen Jahren nicht deinen Charakter. Tom Dachsenbless ist ein ebenso engstirniger Tugendbold wie FitzChivalric Weitseher es war.«
    »Vorsicht«, warnte ich sie, nicht wegen ihres Tons, sondern wegen des Namens. Wir hatten immer sorgsam darauf geachtet, dass Harm mich nur als Tom kannte. Ich wusste, es war kein Zufall, dass sie jetzt diesen Namen laut aussprach, sondern eine Mahnung daran, dass sie mein Geheimnis kannte.
    »Keine Sorge«, beruhigte sie mich, aber ich hatte den halb gezückten Dolch blinken gesehen. »Ich weise dich nur darauf hin, dass du zwei Leben führst und du kommst damit sehr gut zurecht. Weshalb gestehst du mir nicht das Gleiche zu?«
    »Ich sehe das anders. Dies ist das einzige Leben, das ich habe. Und ich versuche nur, mich deinem Gemahl gegenüber so zu verhalten, wie ich mir wünschen würde, dass sich ein anderer Mann in einer ähnlichen Situation mir gegenüber verhält. Oder willst du mir erzählen, er weiß Bescheid, und es stört ihn nicht?«
    »Umgekehrt. Es weiß nichts und deshalb stört es ihn nicht. Wenn du richtig darüber

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