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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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geliebt hatte. Sie fehlten mir, manchmal so sehr, dass es schmerzte. Doch indem ich sie vermisste, erfuhr ich auch die Befreiung von meiner Vergangenheit. Ein hungriger Mann mag sich nach Braten und Kuchen sehnen und wird doch nicht den einfachen Genuss von Brot und Käse verschmähen. Ich baute mir ein Leben nach meinem Sinn, und obwohl ihm Vieles mangelte, was mein altes Leben an Vorzügen zu bieten gehabt hatte, schenkte es mir schlichte Freuden, die mir lange versagt geblieben waren. Ich war zufrieden gewesen.
    Dann, eines nebligen Morgens, ungefähr ein Jahr nachdem ich mich in dieser Hütte nahe dem zerstörten Ingot eingerichtet hatte, kehrten der Wolf und ich von einer nächtlichen Jagd zurück und stellten fest, dass die Heimkehr eine Überraschung für uns bereithielt. Ein Jährlingsbock lag schwer über meinen Schultern; meine alte Pfeilwunde stach und zwickte. Ich beschäftigte mich damit, in Gedanken die Wohltat eines ausgiebigen Aalens in heißem Wasser gegen die zusätzliche Mühe des Eimerschleppens abzuwägen, nicht zu vergessen das lange Warten, bis das Wasser heiß war, als ein unverkennbares Geräusch an mein Ohr drang: Hufeisen auf Stein. Ich ließ die Jagdbeute zu Boden gleiten, dann schlichen Nachtauge und ich in einem weiten Kreis um die Hütte. Es gab nichts zu sehen, außer einem Pferd, das gesattelt an einem Baum in der Nähe meiner Tür angebunden war. Der Reiter befand sich wahrscheinlich im Inneren unserer Behausung. Das Pferd drehte die Ohren, als wir uns näherten, wachsam, aber noch nicht beunruhigt.
    Bleib zurück, Bruder. Wenn das Pferd deine Witterung aufnimmt wird es Lärm machen. Vielleicht kann ich nahe genug herankommen, um einen Blick nach drinnen zu werfen.
    Lautlos wie der Nebel, der uns beide einhüllte, verschmolz Nachtauge mit den grauen wallenden Schwaden. Ich schlug einen Bogen zur Rückseite der Hütte. Ein Dieb? Ich hörte das Klappern von Geschirr und Wasserplätschern. Das Rumpeln klang nach einem Scheit, das ins Feuer geworfen wurde. Ich runzelte verwirrt die Brauen. Wer immer der ungebetene Gast sein mochte, er schien sich häuslich einzurichten. Einen Augenblick später hörte ich eine Frauenstimme den Refrain eines alten Liedes anstimmen und mein Herz setzte einen Schlag aus. Trotz der Jahre, die vergangen waren, erkannte ich Merle sofort.
    Die jaulende Hündin, bestätigte Nachtauge. Er hatte ihre Witterung aufgenommen. Wie immer zuckte ich bei seinem unverhohlenen Ausdruck des Missfallens gegenüber der Vagantin zusammen.
    Lass mich vorgehen. Obwohl ich nun wusste, wer es war, näherte ich mich meiner eigenen Tür mit Vorsicht. Ihr Auftauchen war kein Zufall. Sie hatte mich gesucht. Warum? Was wollte sie von mir?
    »Merle«, sagte ich, als ich die Tür aufstieß.
    Sie fuhr zu mir herum, die Teekanne in der Hand. Ihr Blick flog über meine Gestalt, hoch zu meinen Augen »Fitz!«, rief sie jubelnd aus und sprang auf mich zu. Sie warf die Arme um mich, und nach einem kurzen Zögern erwiderte ich die Umarmung. Sie drückte mich fest. Wie die meisten Frauen aus den Marken war sie klein und dunkel, aber ich spürte die drahtige Kraft in ihrem Körper.
    »Hallo«, sagte ich unsicher und schaute hinunter auf ihren Scheitel.
    Sie hob das Gesicht zu mir empor. »Hallo?«, fragte sie ungläubig. Sie lachte laut über meinen Gesichtsausdruck. »Hallo?« Sie neigte sich nach hinten, um die Teekanne auf den Tisch zu stellen, dann hob sie die Arme, nahm mein Gesicht zwischen die Hände und zog meinen Kopf nach unten, um mich zu küssen. Ich war eben aus der Feuchtigkeit und der Kälte hereingekommen. Der plötzliche warme Mund auf dem meinen war überwältigend, ebenso überwältigend wie das Gefühl, eine Frau in den Armen zu halten. Sie drückte mich an sich, und es war, als ob das Leben selbst mich wieder umarmte. Eine Hitzewelle durchströmte mich, und mein Herz raste. Ich löste meinen Mund von ihrem. »Merle …«, wollte ich anfangen.
    »Nein«, sagte sie entschieden. Sie schaute über meine Schulter, dann ergriff sie meine beiden Hände und zog mich zu der Schlafkammer neben dem Wohnraum. Mit weichen Knien stolperte ich hinter ihr her. Vor meinem Bett blieb sie stehen und knöpfte ihre Bluse auf. Als ich sie nur töricht angaffte, lachte sie und fing an die Bänder meines Hemdes aufzuziehen. »Nicht reden«, befahl sie mir. Sie nahm meine kalte Hand und legte sie auf eine ihrer nackten Brüste.
    In diesem Moment stieß Nachtauge die Tür auf und kam hereingetrottet.

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