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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Gefühle waren wichtig. Ich tat dies für Chade, für meine Königin, für das Haus Weitseher, für den Prinzen. Für solche schmutzigen kleinen Dienste hatte man mich ausgebildet, es war ein Teil der ›lautlosen Arbeit‹ eines Meuchelmörders. Mein Magen krampfte sich zusammen. Ich verhärtete mich gegen den besorgten Blick des Narren und stand auf. Bring’s hinter dich. Lockere ihm die Zunge. Dann töte ihn. Wir konnten nicht wagen, ihn laufen zu lassen und erst recht nicht konnten wir ihn als Klotz am Bein mitschleppen. Es war nicht das erste Mal, dass ich im Auftrag der Weitseher tötete. Zwar hatte ich bislang noch nie vorher aus meinem Opfer irgendwelche Informationen herausprügeln müssen, aber auch das beherrschte ich. Meine diesbezüglichen Lektionen hatte ich in Edels Kerker gelernt. Ich wünschte mir nur, es wäre mir erspart geblieben, das Gelernte einmal anzuwenden.
    Ich wandte mich vom Feuer ab und ging nach hinten, wo der Junge auf seine Stunde wartete. Er saß auf dem Boden, den Rücken an die Felswand gelehnt. Eine Zeit lang blieb ich einfach vor ihm stehen, schaute auf ihn hinunter und hoffte, seine Angst vor dem Kommenden wäre genauso groß wie die meine. Als er sich endlich nicht mehr beherrschen konnte und aufblickte, fragte ich in meinem drohendsten Ton: »Wo bringen sie ihn hin?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete er, doch ohne jede Überzeugungskraft.
    Meine Stiefelspitze traf ihn mit kalkulierter Wucht unter dem Rippenbogen, hart genug, um ihm den Atem zu benehmen, ohne dauerhaften Schaden zu verursachen. So weit waren wir noch nicht. Mit einem schrillen Japsen krümmte er sich zusammen. Ich bückte mich, krallte die Finger in seine Hemdbrust, riss ihn hoch und hielt ihn halb in der Schwebe, sodass nur seine Zehenspitzen den Boden berührten. Auf diese Weise befanden sich unsere Augen auf gleicher Höhe, obwohl er kleiner war als ich. Er umklammerte meine Handgelenke. Sein Atem ging pfeifend.
    »Wohin?«, wiederholte ich ausdrucklos. Draußen erneuerte das Unwetter seine Wut und Regenmassen.
    »Sie – haben’s – nicht – gesagt«, stieß er hervor und mein Gewissen beschwor mich, ihm zu glauben. Doch es stand zu viel auf dem Spiel. Ich stieß ihn, ohne loszulassen, heftig von mir; sein Kopf flog nach hinten und schmetterte gegen den Fels. Meine geprellte Schulter protestierte mit einem scharfen Stich, ich war selbst nicht in der besten Verfassung für solche Gewalttätigkeiten. Hinter mir hörte ich einen erstickten Laut von Laurel, drehte mich aber nicht um.
    »Du kannst es mir jetzt sagen oder später«, warnte ich, während ich ihn gegen die Wand drückte. Ich verabscheute, was ich tat, doch seine unvernünftige Verstocktheit machte mich auch wütend. Ich schürte diese Wut, benutzte sie als Ansporn, um mit meinem Tun fortfahren zu können. Je konsequenter, desto gnädiger. Je eher er redete, desto schneller hatte er es hinter sich. Er war selbst schuld. Er war ein Hochverräter und im Bunde mit denen, die Kettrickens Sohn von ihr weggelockt hatten. Der zukünftige König der Sechs Provinzen schwebte möglicherweise in Lebensgefahr und was dieser Gescheckte wusste, konnte mir helfen, ihn zu retten. Was immer ich ihm antat, er hatte es selbst verschuldet.
    Ein fast kindliches Schluchzen schüttelte den Jungen. Er atmete mühsam. »Bitte«, sagte er leise.
    Ich hieß mein Gewissen schweigen und machte mich bereit zuzuschlagen.
    Aber du hast es geschworen. Niemals wieder. Niemals wieder das Töten, welches nicht um der Nahrung willen geschieht und das Herz zu Stein macht. Nachtauge war erschüttert.
    Misch dich nicht ein, mein Bruder. Dies ist etwas, was ich tun muss.
    Nein. Du musst nicht Ich komme. Ich komme so schnell ich kann. Warte auf mich, mein Bruder, ich bitte dich. Warte.
    Ich verschloss mich gegen die Gedanken des Wolfs. Zeit, ein Ende zu machen. Den Willen dieses Gescheckten zu brechen. Aber der gefährliche Hochverräter sah aus wie ein Knabe, der verzweifelt bemüht war, sein Geheimnis zu bewahren. Tränen zogen helle Bahnen durch den Schmutz auf seinen Wangen. Die Einmischung des Wolfs hatte meinen Vorsatz geschwächt, ohne dass ich es merkte, hatte ich die Arme sinken lassen und den Jungen auf die Füße gestellt. Mir waren Beschäftigungen dieser Art immer zuwider gewesen. Einige Männer, die ich kannte, hatten Vergnügen daran, den Willen eines Menschen zu brechen, aber die Qualen, die ich in Edels Kerker erduldet hatte, hatten mich auf immer als Opfer

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