Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
nach ein paar Sekunden hatten meine Augen sich umgewöhnt. Fürst Leuenfarb hatte meine Zunderbüchse bereitgestellt. Das Glück war mir hold und binnen kurzem brannte ein kleines Feuer im hinteren Teil der Höhle. Der Rauch kroch unter der Felsendecke entlang, bis er den Weg nach draußen fand. Ich ging hinaus, um mich zu vergewissern, dass er vom Fuß des Abhangs nicht allzu deutlich zu sehen war. Zufrieden kehrte ich zurück um mehr Holz aufzulegen und die Flamme höher zu schüren.
Laurel richtete sich auf und rückte an die Wärme und das Licht heran. Sie schien sich etwas erholt zu haben, aber man konnte ihr noch immer ansehen, dass sie Schmerzen litt. Mir entging nicht, dass sie aus den Augenwinkeln zu dem Gescheckten hinschaute. Ein Vorwurf lag in ihrem Blick, aber auch unangebrachtes Mitleid. Ich hoffte, sie würde sich nicht einmischen in das, was ich zu tun beabsichtigte.
Fürst Leuenfarb wühlte in seinem Bündel, zog einen meiner blauen Kittel heraus und gab ihn mir. Ich brummte einen Dank. Am Rand des Feuerscheins hockte zusammengesunken mein Gefangener. Ich bemerkte die kunstgerechten Verbände an seinem Unterschenkel und Handgelenk und erkannte die Knoten des Narren. Nun, ich hatte ihn nicht gebeten, sich von dem Gefangenen fernzuhalten, und natürlich konnte er nicht anders, als ihn verarzten. Ich ließ mein durchgeweichtes Hemd auf den Boden fallen. Als ich den Kittel ausschüttelte, um hineinzuschlüpfen, hörte ich Laurels leise Stimme.
»Das ist eine große Narbe.«
»Welche?«, fragte ich ohne nachzudenken.
»Mitten auf deinem Rücken.«
»Ach die.« Ich bemühte mich um einen leichten Tonfall. »Das war ein Pfeil, dessen Kopf nicht mit dem Schaft herausgekommen ist.«
»Deshalb also deine Besorgnis vorhin. Danke.« Sie lächelte mich an.
Es war fast eine Entschuldigung. Mir fiel keine Antwort ein, ihre Worte und das freundliche Lächeln machten mich verlegen. Dann merkte ich, dass Jinnas Amulett nicht mehr vom Hemdkragen verdeckt war. Aha. Ich schloss die Nesteln an dem Kittel, dann nahm ich die Beinlinge, die der Fürst mir reichte und zog mich in den Schatten hinter den Pferden zurück, um sie anzulegen. Das Wassergetröpfel die Felswand hinunter war inzwischen zu einem stetigen silbernen Faden angeschwollen; ein Bächlein lief jetzt an den Pferden vorbei über die Schwelle des Höhleneingangs und suchte sich draußen ein Bett. Nun, wenigstens mussten sie nicht dürsten, wenn es schon nichts zu fressen gab. Ich schöpfte eine Hand voll und probierte. Es schmeckte moderig, aber durchaus genießbar.
Beim Feuer reichte Fürst Leuenfarb mir ein Stück Brot und einen Apfel. Erst als ich den ersten Bissen nahm, merkte ich, wie hungrig ich war. Die ganze Portion hätte mich nicht satt gemacht, aber ich aß nur den Apfel und die Hälfte des Brotes. Leider war ich nach dem letzten Bissen noch genauso hungrig wie nach dem ersten. Ich ignorierte das hohle Gefühl in meinem Magen wie davor den Regen. Noch so eine menschliche Erwartung, dass man ein Recht auf regelmäßige Mahlzeiten hat. Regelmäßige Mahlzeiten sind eine nette Annehmlichkeit, aber nicht unbedingt überlebensnotwendig. Diesen Satz sagte ich mir im Stillen einige Male vor. Als ich vom Feuer aufschaute, begegnete ich dem Blick des Fürsten. Laurel hatte eine Decke über sich gezogen und war eingeschlummert. Ich fragte mit gedämpfter Stimme: »Hat er etwas gesagt, während du ihn verbunden hast?«
Fürst Leuenfarb überlegte, endlich durchbrach ein Lächeln die aristokratische Fassade. »Aua?«, meinte er.
Ich erwiderte das Grinsen, dann zwang ich mich, unserer derzeitigen Lage ins Auge zu sehen. Obwohl Laurel fest zu schlafen schien, senkte ich die Stimme. »Ich muss alles erfahren, was er über die Pläne seiner Leute weiß. Sie sind organisiert, und sie sind fanatisch. Hier geht es nicht nur darum, dass welche vom Alten Blut einem aufmüpfigen Königssöhnchen helfen, von zu Hause auszureißen. Ich muss ihn dazu bringen, dass er uns verrät, wo sie unseren Prinzen hingebracht haben.«
Das Lächeln auf den Zügen des Narren erlosch, allerdings ohne dass er wieder Fürst Leuenfarbs blasierte Miene aufsetzte. »Wie?«, fragte er ahnungsvoll.
»Mit allen Mitteln«, antwortete ich kalt. Ich spürte einen dumpfen Unmut, dass er mir die Sache unnötig schwer machen würde. Der Prinz und sein Wohlergehen – nur das zählte. Nicht des Narren Zimperlichkeit, nicht das Leben des jungen Burschen dahinten. Nicht einmal meine eigenen
Weitere Kostenlose Bücher