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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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gebrandmarkt. Was ich diesem jungen Burschen antat, würde ich spüren. Schlimmer, ich würde mich sehen, wie er mich sah, und Kujon, meinen alten Peiniger, in mir erkennen. Ich wandte den Blick ab bevor er in meinen Augen lesen konnte, was ich um jeden Preis verbergen wollte, aber es nützte mir nichts, denn der Narr stand nur eine Armeslänge entfernt neben mir und alles Grauen, welches ich zu unterdrücken versuchte, lag in seinem Blick Mitleid mischte sich mit Entsetzen und brannte wie Gift. Er sah. Er sah, trotz all der vielen Jahre, die vergangen waren, den misshandelten Knaben, der sich in mir verbarg und immer da sein würde. In einem Winkel meines Wesens würde ich mich ein Leben lang ducken, auf immer verstümmelt, entmannt von dem, was man mir angetan hatte. Es war mir unerträglich, dass jemand davon wusste. Auch wenn es der Narr war, mein Freund. Erst recht, wenn es der Narr war, mein Freund.
    »Misch dich nicht ein«, fuhr ich ihn an, mit einer Stimme, von der ich nicht gewusst hatte, dass ich sie besaß. »Kümmere dich um die Jagdmeisterin.«
    Die Wirkung war fast so, als hätte ich ihn geschlagen. Sein Mund ging auf, aber kein Ton kam heraus. Ich schaute weg, richtete den Blick auf den Jungen. Ich verdrängte jedes menschliche Fühlen. Langsam ballte ich meine Hand an seinem Kragen zur Faust. Ich konnte fühlen, wie er sich krampfhaft bemühte zu schlucken, dann begann er zu röcheln. Seine blauen Augen huschten über meine Narbe und die gebrochene Nase. Mein Gesicht war nicht das Gesicht eines Menschen, von dem Schonung zu erwarten war. Verräter, erinnerte ich mich, während ich ihn musterte. Du verrätst deinen Prinzen, genau wie Edel Veritas verraten hat. Wie oft hatte ich mir ausgemalt, was ich mit Edel tun würde, falls er mir je in die Hände fiel. Und dieses Bürschchen verdiente das Gleiche. Indem er sich weigerte, preiszugeben, was er wusste, war er vielleicht Schuld am Erlöschen des Hauses Weitseher. Ich stierte in sein Gesicht und ließ diese Gedanken alles andere verdrängen, konnte fühlen, wie sie den Zug um meine Augen und den Mund veränderten. Mein Entschluss stand fest. Zeit, ein Ende zu machen, so oder so. »Letzte Chance«, warnte ich schroff und zog mein Messer. Ich beobachtete meine Hände, als ob sie jemand anderem gehörten. Ich setzte die Spitze der blanken Klinge an das untere Lid seines linken Auges, ließ sie eine Winzigkeit in die Haut eindringen. Er kniff die Lider zusammen, aber wir wussten beide, damit konnte er es nicht schützen. »Wohin?«
    »Befehlt ihm, dass er aufhört, Euer Gnaden«, bat Laurel mit schwankender Stimme. »Ihr müsst es verbieten.« Ich konnte fühlen, wie der Junge in meinem Griff anfing zu zittern. Wie maßlos erschreckend es für ihn sein musste, dass selbst meinen Gefährten vor mir graute. Ein Lächeln ergriff von meinem Gesicht Besitz und erstarrte zur Grimasse.
    »Tom Dachsenbless!«, ermahnte der Fürst mich in gebieterischem Ton. Ich schaute mich nicht einmal um. Er hatte zusammen mit Chade und Kettricken die schlafenden Hunde geweckt. Alles Weitere war unvermeidlich. Sollte er sich anschauen, wozu er den Anstoß gegeben hatte. Wenn es ihm nicht gefiel, konnte er die Augen zumachen. Ich konnte es nicht. Ich musste es durchleben.
    Nein, das musst du nicht Und ich weigere mich, daran Teil zu haben. Ich werde es nicht dulden.
    Ich fühlte ihn, bevor ich ihn sah. Einen Moment später zeichnete sich am äußersten Rand des Feuerscheins seine Silhouette ab und dann kam mein Wolf in die Höhle gewankt. Er war triefend nass, das Deckhaar seines Fells flach an den Leib geregnet. Er kam ein Stück ins Trockene, dann blieb er stehen und schüttelte sich. Die Berührung seines Bewusstseins glich einer festen Hand auf meiner Schulter. Er machte, dass meine Gedanken sich ihm zuwandten, uns, und alle anderen Dinge in den Hintergrund rückten. Mein Bruder. Wandler. Ich bin müde. Ich bin nass und friere. Ich brauche deine Hilfe. Er kam näher, dann lehnte er sich gegen mein Bein und fragte still: Futter? Mit der körperlichen Berührung verdrängte er eine Finsternis, von der ich nicht gewusst hatte, dass sie in meiner Seele hauste, und erfüllte mich mit seinem Wolfsein und dem Jetzt.
    Ich ließ meinen Gefangenen los, und er sank in sich zusammen, seine Knie gaben nach, und mit einem Ruck saß er auf dem Boden. Sein Kopf fiel ihm auf die Brust, und ich glaubte, ein ersticktes Schluchzen zu hören. Ich scherte mich nicht darum. Ich schob jenen

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