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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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mich schmerzte. Sie starrte mich an, als wäre ich eine tollwütige Bestie. Doch wohl nicht nur, weil sie sich ärgerte, dass ich unhöflich eine private Unterhaltung unterbrochen hatte? Ich zog mich zurück und überlegte, ob es Scham wegen ihrer entblößten Schulter war, die sie ungehalten machte. Andererseits schien es sie nicht zu stören, dass Fürst Leuenfarb sie berührte. Nun, ich hatte genug zu tun und wollte nicht weiter stören.
    Ich musterte den Rest unseres Mundvorrats. Brot und Äpfel. Für drei Personen schon knapp bemessen und nicht genug für vier. Ich beschloss, dass unser Gefangener leer ausgehen würde. Bestimmt hatte er selbst Proviant dabei gehabt und heute besser gegessen als wir. Weil ich gerade an ihn dachte, ging ich hin, um mich von seinem Befinden zu überzeugen. Er saß verkrümmt mit seinen auf den Rücken gefesselten Händen an der Wand und betrachtete die Spuren von Nachtauges Zähnen auf seiner Wade. Auch ich warf einen Blick darauf, enthielt mich aber jeder Äußerung von Mitgefühl. Stumm stand ich neben ihm, bis er sich entschloss den Mund aufzumachen.
    »Kann ich etwas Wasser haben?«
    »Dreh dich um«, befahl ich und schaute ungerührt zu, wie er sich abmühte zu gehorchen. Ich band seine Hände los, dabei entfuhr ihm ein leiser Schmerzenslaut, als ich den Lederriemen von den Blutkrusten losriss. Langsam nahm er die Hände nach vorn. »Du kannst dir da drüben Wasser holen, sobald die Pferde sich satt getrunken haben.«
    Er nickte. Ich konnte mir gut vorstellen, wie seine Schultern schmerzten. Meine eigene klopfte von dem Zusammenstoß mit dem Ast. Eine Wange war fast schwarz und dick verschorft, eins seiner Augen blutunterlaufen. Irgendwie sah er durch seine Blessuren noch jünger aus. Er studierte das Handgelenk, das Nachtauge malträtiert hatte. Daran, wie seine Kiefer mahlten, konnte ich erkennen, dass er Angst hatte, die Wunde auch nur zu berühren. Langsam hob er die Augen zu meinem Gesicht und schaute dann an mir vorbei.
    »Wo ist dein Wolf?«, fragte er.
    Fast hätte ich ihm eine Maulschelle verpasst. Er sah den Ansatz der Bewegung und zuckte zusammen. »Du bist hier nicht derjenige der Fragen stellt«, belehrte ich ihn kalt. »Du bist derjenige, der sie beantwortet. Wohin bringt man den Prinzen?«
    Seine Miene spiegelte Verständnislosigkeit und ich verfluchte mein eigenes Ungeschick. Vielleicht hatte er nicht gewusst, dass es sich bei dem Fremden, der mit ihnen ritt, um den Thronfolger des Reiches handelte. Nun, zu spät, um die Worte zurückzuholen. Wahrscheinlich würde ich ihn ohnehin töten müssen. Ich erkannte diesen Gedanken als von Chade stammend und schob ihn beiseite. »Der Junge mit der Jagdkatze«, erklärte ich. »Wo bringen sie ihn hin?«
    Er schluckte trocken. »Ich weiß es nicht.«
    Es juckte mich in den Fingern, ihn zu würgen und zu schütteln, bis er mit der Wahrheit herausrückte. Er war in zu vieler Hinsicht eine Bedrohung für mich. Ich stand auf, bevor ich mich nicht mehr beherrschen konnte. »Doch, du weißt es. Ich gebe dir etwas Zeit, um darüber nachzudenken, was ich alles tun könnte, damit du es mir verrätst. Dann komme ich wieder.« Ich entfernte mich ein paar Schritte, bevor ich ein Grinsen auf mein Gesicht zwang und mich noch einmal umdrehte. »Übrigens, solltest du glauben, dies wäre eine gute Gelegenheit, auf und davon zu gehen – zwei oder drei Schritte nach draußen und du wirst dich nicht mehr fragen, wo mein Wolf ist.«
    Ein weißer Lichtblitz zuckte in unseren Unterschlupf. Die Pferde schrien gellend und ein Donnerschlag ließ den Berg bis in seine Grundfesten erbeben. Ich zwinkerte geblendet, dann stürzte draußen vor dem Höhleneingang der Regen nieder, als hätte jemand einen Eimer umgestoßen. Es wurde dunkel. Ein Windstoß peitschte Regen unter den Überhang, die Wärme des Tages wurde davongewaschen.
    Ich brachte meinen beiden Gefährten ihre Ration vom Abendessen. Laurel machte einen etwas benommenen Eindruck. Leuenfarb hatte aus ihrem Sattel und einer Decke eine Rückenlehne gebaut, damit sie bequemer sitzen konnte. Sie hielt den verletzten Arm ruhig, die Hand lag wie ein kleines totes Tier in ihrem Schoß; Blut war zwischen den Fingern verkrustet, hatte die Nägel schwarz umrahmt. Offenbar war die Wunde schlimmer, als ich vermutet hatte. Fürst Leuenfarb nahm das Brot und die Äpfel für sie beide entgegen.
    Ich schaute in den Wolkenbruch hinaus und schüttelte den Kopf. »Dieses Unwetter wird alle Spuren austilgen,

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