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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Jahre entwickelt haben könnte. Dieser Streit zog nicht nur einen Schlussstrich unter das, was wir geteilt hatten, sondern enthüllte auch, dass es in Wirklichkeit nur sehr wenig gewesen war. Ich fühlte mich doppelt niedergeschmettert. Bittere Worte aus einem vergangenen Leben kamen mir in den Sinn. Der Narr, der mich warnte: »Sie hegt keine echten Gefühle für Fitz, sie will nur von sich sagen können, sie kannte FitzChivalric.« Vielleicht, trotz all der Jahre, die wir uns kannten, hatte diese Einschätzung immer noch Gültigkeit.
    Ich schwieg, aus Angst vor dem, was ich sagen könnte; sie schien zu glauben, ich wäre in meinem Entschluss schwankend geworden. Sie holte tief Atem und schenkte mir ein abgeklärtes Lächeln. »Ach Fitz, wir brauchen einander, auch wenn wir es uns nicht gern eingestehen.« Sie stieß einen kleinen Seufzer aus. »Mach Frühstück. Ich werde mich anziehen. Am Morgen und auf leeren Magen, sehen die Dinge immer schlimmer aus als sie sind.« Sie ging hinaus.
    Eine fatalistische Gelassenheit überkam mich. Ich deckte den Tisch, während sie in ihre Kleider schlüpfte. Ich war ruhig, weil mein Entschluss feststand. Es war, als hätten Harms Worte letzte Nacht eine Kerze in meinem Innern ausgelöscht. Meine Gefühle für Merle waren schlagartig erstorben. Wir saßen zusammen am Tisch, und sie bemühte sich, den Anschein zu erwecken, alles wäre wie zuvor, aber ich konnte nicht aufhören zu denken: Dies ist wahrscheinlich das letzte Mal, dass ich zuschaue, wie sie ihren Tee im Becher schwenkt, um ihn abzukühlen, oder wie sie beim Reden mit dem angebissenen Brot gestikuliert. Ich ließ sie erzählen, und sie hielt sich an belanglose Themen, wo sie als nächstes Station machen wollte oder was Lady Liebenswert bei irgendeiner Gelegenheit getragen hatte. Je mehr sie redete, desto weiter schien sie sich von mir zu entfernen. Während ich sie beobachtete, war mir, als hätte ich etwas vergessen, übersehen.
    Eine plötzliche Erkenntnis rieselte mir wie ein Tropfen kalten Wassers den Rücken hinunter. Ich fiel ihr ins Wort.
    »Du hast gewusst, dass Chade mich besuchen wollte.«
    Sie hob erstaunt die Augenbrauen – den Bruchteil einer Sekunde zu spät. »Chade? Hier?«
    Für mich selbst überraschend, manifestierte sich eine Art zu denken, die ich längst vergessen geglaubt hatte. Die Fähigkeit, Gedankenketten zu bilden, wurde mir in den Jahren meiner Jugend von einem erfahrenen Mentor mit unerbittlicher Akribie eingedrillt. Es war eine Methode, Fakten zu sieben und zusammenzusetzen, ein mentales Training, welches dem Gehirn ermöglichte, blitzschnell zu Schlüssen zu gelangen, die nicht Vermutungen waren, sondern logisch untermauert. Beginne mit einer einfachen Beobachtung. Merle hatte nichts zu dem Käse gesagt. Jeder Käse war Luxus für den Jungen und mich, erst recht ein schöner reifer Käse wie dieser. Von Rechts wegen hätte sie überrascht sein müssen, ihn auf meinem Tisch zu sehen, aber sie war es nicht. Auch über den Sandsegger gestern Abend hatte sie kein Wort verloren. Weil weder das Eine noch das Andere für sie verwunderlich gewesen war. Ich merkte, zugleich erstaunt, erfreut und mit Grausen, wie flink mein Verstand von Punkt zu Punkt eilte, bis mir plötzlich das vollständige Muster vor Augen stand. »Bisher hast du Harm niemals angeboten, dich irgendwohin zu begleiten. Du hast den Jungen nach Bocksburg mitgenommen, um Chade Gelegenheit zu geben, allein mit mir zu sprechen.« Die sich daraus ergebende Schlussfolgerung jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken. »Für den Fall, dass er mich töten müsste. Es gäbe keine Zeugen.«
    »Fitz!«, empörte sie sich.
    Ich hörte es kaum. Nachdem die Kieselsteine der Gedanken einmal ins Rollen gekommen waren, setzte sich eine ganze Lawine unausweichlicher Schlussfolgerungen in Bewegung. »All die Jahre. All deine Besuche. Du hast mich für ihn im Auge behalten, stimmt’s? Sag mir, schaust du auch mehrmals im Jahr bei Burrich und Nessel vorbei, um für sein Dossier über ihr Tun und Treiben Bericht zu erstatten?«
    Sie blickte mich kalt an und leugnete nichts. »Ich musste sie aufsuchen. Um Burrich die Pferde zu bringen. Du selbst hattest mich gebeten, das zu tun.«
    Sie hatte Recht. Meine Gedanken jagten sich. Die Pferde wären eine perfekte Einführung gewesen. Jede andere Gabe hätte Burrich abgelehnt, aber Rötel war sein rechtmäßiges Eigentum, ein Geschenk von Veritas. Und Merle hatte ihm wahrscheinlich erzählt, nach dem

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