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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Willen der Königin solle auch Rußflocke ihm gehören, als Belohnung für die dem Haus Weitseher geleisteten Dienste. Ich schaute sie an und wartete auf den Rest. Sie war eine Vagantin. Sie liebte es zu reden. Ich brauchte nur das Schweigen beizusteuern.
    Sie legte das Brot hin. »Wenn ich in der Gegend bin, besuche ich sie, allerdings. Und wenn ich nach Bocksburg zurückkomme und Chade weiß, dass ich bei ihnen gewesen bin, erkundigt er sich nach ihnen. Genau wie er sich nach dir erkundigt.«
    »Und der Narr? Weißt du auch über seinen Verbleib Bescheid?«
    »Nein.« Die Antwort kam prompt, und ich war geneigt, ihr zu glauben. Aber sie war eine Vagantin, und für sie bestand der Reiz eines Geheimnisses darin, dass man es weitererzählte. Sie konnte nicht anders, als hinzufügen: »Aber ich glaube, Burrich weiß es. Einoder zweimal, als ich da war, habe ich Spielzeug herumliegen gesehen, wie Burrich es sich für Nessel nie und nimmer leisten könnte. Eine Puppe erinnerte mich sehr an die Marionetten des Narren. Ein andermal war da eine Kette aus Holzperlen, und jede einzelne Perle war geschnitzt wie ein kleines Gesicht.«
    Das war interessant, aber ich ließ es mir nicht anmerken, stattdessen stellte ich ohne Umschweife die Frage, die mir auf der Zunge brannte. »Weshalb sollte Chade mich als eine Bedrohung für das Haus Weitseher betrachten? Das ist der einzige Grund, den ich mir vorstellen kann, der ihn zu der Überzeugung bringen könnte, dass er mich aus dem Weg räumen muss.«
    Etwas wie Mitleid malte sich auf ihrem Gesicht. »Das glaubst du wirklich, ja? Dass Chade dich ermorden könnte? Und dass ich dabei helfen würde, indem ich den Jungen weglocke?«
    »Ich kenne Chade.«
    »Und er kennt dich.« Es klang fast wie eine Beschuldigung. »Er hat mir einmal erzählt, du wärst unfähig, jemandem rückhaltlos zu vertrauen. Dass der Wunsch zu vertrauen und die Angst davor immer ein Zwiespalt in deiner Seele sein würden. Nein. Ich denke, der alte Mann wollte nichts weiter, als dich allein treffen, um frei sprechen zu können. Um dich für sich zu haben und sich mit eigenen Augen zu überzeugen, wie es dir geht, nach all den Jahren deines Schweigens.«
    Als Vagantin verstand sie sich auf den Gebrauch von Worten und Tonfall. Es hörte sich an, als wäre mein Wegbleiben von Bocksburg grausam und rücksichtslos gegenüber meinen Freunden, während ich in Wahrheit keine andere Wahl gehabt hatte, wenn ich überleben wollte.
    »Über was hat Chade mit dir geredet?«, erkundigte sie sich etwas zu beiläufig.
    Ich schaute ihr ruhig in die Augen. »Hat er dich nicht eingeweiht?«
    Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich, und ich konnte sehen, wie ihr Verstand arbeitete. Aha. Chade hatte sie nicht über den Zweck seiner Mission aufgeklärt. Wie auch immer, sie war scharfsinnig und verfügte über viele der Mosaiksteine.
    »Altes Blut«, sagte sie endlich. »Die Bedrohung durch die Gescheckten.«
    Schon oft in meinem Leben war ich zutiefst erschüttert gewesen und durfte mir nichts anmerken lassen. Dieses Mal fiel es vielleicht am schwersten. Als sie weitersprach, beobachtete sie aufmerksam mein Gesicht. »Es ist eine Eiterbeule, die schon seit einiger Zeit schwärt und jetzt aufzubrechen droht. Beim Sängerwettstreit am Frühlingsfest, wo alle Vaganten sich danach drängen, vor ihrem Souverän aufzutreten, trug ein Sänger die alte Ballade vom Gescheckten Prinzen vor. Erinnerst du dich?«
    Allerdings. Die Ballade erzählte von einer Prinzessin, die von einem Zwiehaften in Gestalt eines gescheckten Hengstes davongetragen wird. Sobald sie allein sind, nimmt er Menschengestalt an und wohnt ihr bei. Sie bringt einen Bastardsohn zur Welt, weiß und schwarz gefleckt wie sein Vater gewesen war. Durch Verrat und Intrigen gelangt der Bastard auf den Thron und führt ein Schreckensregiment mit Hilfe seiner ebenfalls der Alten Macht teilhaftigen Handlanger. Das ganze Königreich leidet, bis, so die Ballade, sein Vetter, vom reinen Weitseherblut, die Söhne von sechs Edlen des Reichs als Verbündete gewinnen kann. Am Tag der Sommersonnenwende, zur Mittagsstunde, wenn die Kraft des Gescheckten am geringsten ist, stürzen sie sich auf ihn und erschlagen ihn. Sie hängen ihn auf, hacken ihn in Stücke und verbrennen die Stücke über fließendem Wasser, um seine Seele weit in die Ferne zu spülen, auf dass sie nicht in den Leib eines Tieres fahre und dort eine neue Heimat finde. Die in der Ballade beschriebene Weise, den Gescheckten Prinzen

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