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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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uns Hitze verströmte. Der Geruch kam von der Feuchtigkeit, die aus dem Stein verdunstete. Ich beschloss lieber zu frieren, als mich an diesem Ofen zu wärmen. Der Prinz hatte noch die Kette mit dem Anhänger in der Hand. Ich zog sie zwischen seinen Fingern hervor und verstaute sie in meinem Beutel. Der Prinz reagierte nicht. »Pflichtgetreu?« Ich beugte mich über ihn und blickte forschend in seine weit offenen Augen. Sie boten sich ohne ein Wimpernzucken dem niederstäubenden Regen. Ich versetzte ihm einen leichten Schlag gegen die Wange. »Prinz Pflichtgetreu? Hört Ihr mich?«
    Seine Lider schlossen und hoben sich langsam. Es war keine Antwort, aber besser als nichts.
    »Ihr werdet Euch bald besser fühlen. Bleibt eine Weile liegen und ruht Euch aus.« Leere Floskeln, aber etwas Gescheiteres fiel mir nicht ein. Jedenfalls ließ ich ihn erst einmal im nassen Gras liegen und stieg auf die Kuppe des Grabes. Es gab nicht viel zu sehen, nur welliges Grasland und vereinzelte Baumgruppen. Ein Spatzenschwarm stob vom Boden hoch, kreiste, senkte sich wieder. Offenbar zankte man um einen ergiebigen Futterplatz. Hinter dem Grasland Wald. Nirgends etwas, das nach einer Bedrohung aussah, aber auch nirgends Hoffnung auf Essen, Trinken, Unterkunft. Ich war ziemlich sicher, dass diese drei Dinge Prinz Pflichtgetreu gut tun würden und fürchtete, er könnte, wenn er weiter hungern und frieren musste, der Wirklichkeit noch weiter entrückt werden. Ein anderes war mir noch wichtiger. Ich wollte wissen, ob meine Freunde lebten. Ich wollte, wider alle Vernunft, hinausgreifen nach meinem Wolf. Ich wollte nach ihm heulen, mit aller Kraft meiner Liebe und Sorge. Gleichzeitig wusste ich, genau das war das Dümmste und Schädlichste, was ich tun konnte. Nicht nur würde ich sämtliche Zwiehafte in der Umgebung von meiner Anwesenheit in Kenntnis setzen, sondern zudem die Gescheckten warnen, dass ich zurückgekehrt war.
    Mit Mühe gelang es mir, meine Gedanken zu ordnen. Ich brauchte einen Zufluchtsort und schnell. Höchstwahrscheinlich spürten sowohl die Katze als auch die Frau unaufhörlich nach dem Prinzen. Möglicherweise waren sie gerade jetzt unterwegs, um ihn zu holen. Der Nachmittag dämmerte bereits dem Abend entgegen. Pflichtgetreu hatte mir ausgerichtet, die Gescheckten würden Nachtauge und den Narren bei Sonnenuntergang töten, falls ich ihn bis dahin nicht an sie übergeben hatte. Irgendwie musste ich den Prinzen an einen sicheren Ort schaffen, bevor die Frau uns finden konnte, und mich dann allein aufmachen, um zu erkunden, wo die Gescheckten meine Freunde gefangen hielten und welche Möglichkeit es gab, sie zu befreien. Vor Sonnenuntergang. Ich zermarterte mir das Hirn. Das nächstgelegene Gasthaus, von dem ich wusste, war der Gescheckte Prinz. Ich bezweifelte, dass Pflichtgetreu dort freundliche Aufnahme finden würde. Zwischen Bocksburg und uns jedoch lagen ein mehrtägiger Fußmarsch und eine Flussüberquerung. Ich grübelte, aber ein anderes Refugium fiel mir nicht ein. Hier allein lassen konnte ich ihn nicht, und noch ein Gang durch einen Gabenpfeiler würde seinem Verstand den Rest geben, selbst wenn wir körperlich unversehrt am Ziel ankamen. Noch einmal ließ ich den Blick über die menschenleere Landschaft schweifen. Widerstrebend musste ich mir eingestehen, dass ich zwar einige Alternativen hatte, zwischen denen ich wählen konnte, aber eine taugte so wenig wie die andere. Kurzerhand beschloss ich, dass ich uns in Marsch setzen und darauf vertrauen würde, dass mir unterwegs etwas Besseres einfiel.
    Bevor ich wieder nach unten stieg, sah ich mich ein letztes Mal um und dabei erregte etwas meine Aufmerksamkeit, nicht eine Gestalt, sondern eine Bewegung zwischen den Bäumen eines kleinen Wäldchens. Ich hockte mich hin und starrte aus schmalen Augen auf diesen Punkt, um mir darüber klar zu werden, was ich gesehen hatte. Nach einer Minute kam das Tier zum Vorschein. Ein Pferd. Schwarz und groß. Meine Schwarze. Sie witterte mit erhobenem Kopf zu mir hin. Langsam richtete ich mich auf. Die Entfernung war zu groß für einen Versuch, sie einzufangen. Offenbar war sie geflohen, als die Gescheckten Nachtauge und den Narren gefangen nahmen. Was war aus Malta geworden? Ich beobachtete sie noch einen Moment, aber sie stand nur da und beobachtete mich ihrerseits. Ich wandte mich ab und stieg zu meinem Sorgenkind hinunter.
    Pflichtgetreu war immer noch nicht ansprechbar, doch er lag jetzt zusammengerollt da und zitterte,

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