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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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bestimmt. Was das Meer hierher bringt, soll für die Menschheit verloren sein. Sie hat sich der Kleinodien nicht würdig erwiesen.«
    Seetang schmatzte bei jedem Schritt. Der Prinz rutschte aus; ich grub die Finger in seine Schulter und hielt ihn fest, sonst wäre er gestürzt. Noch ein, zwei, drei Schritte und Wasser leckte um meine Knöchel.
    »Ihr könnt nicht hoffen, euch schwimmend zu retten!«, warnte die Kreatur. »Der Strand wird zum Grab werden für eure Gebeine.«
    Wie einen Wind von fernher, fühlte ich schwach die Böen von Angst, die sie gegen uns sandte. Das Bewusstsein des Prinzen war ungeschützt, er stieß einen entsetzten Schrei aus. »Ich will nicht ertrinken!«, rief er. »Hilfe, ich will nicht ertrinken!« Er starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an, die dunkle Iris war von einem weißen Ring umgeben. Ich hielt ihn deswegen nicht für einen Feigling. Ich wusste aus eigener Erfahrung wie es war, wenn das schutzlose Bewusstsein von außen mit Todesangst überschwemmt wurde.
    »Pflichtgetreu, du musst mir vertrauen! Vertrau mir!«
    »Ich kann nicht!«, schrie er, und ich glaubte ihm. Er fühlte sich hin und her gerissen, mein Gabenbefehl, der strikten Gehorsam forderte, stritt wider die Wogen der Furcht, die die Kreatur gegen ihn branden ließ. Unerbittlich zog ich ihn weiter mit in tiefere Wasser. Es reichte uns jetzt bis zu den Knien, jede vorbeirollende Welle versetzte uns einen Stoß. Die wabbelnde Kreatur zögerte nicht, uns zu folgen; nach dem Äußeren zu urteilen, war Wasser ihr eigentliches Element. Ich wagte einen zweiten Blick nach hinten. Der Gabenpfeiler musste ganz nah sein. Ich merkte es an der unbestimmten Verwirrung, die der schwarze Gedächtnisstein mir unfehlbar verursachte. Wie seltsam, sich in der Hoffnung auf Rettung dem Chaos auszuliefern.
    »Gebt mir das Kleinod!«, verlangte die Kreatur und giftig grüne Tropfen schillerten plötzlich an der Spitze der Flossendorne, die sie drohend erhob.
    In einem Zug warf ich das Schwert in die Scheide, umschlang den Prinzen mit dem linken Arm und ließ mich mit ihm rücklings ins Wasser fallen. Als die Kreatur sich hinter uns in die Wellen stürzte, glaubte ich ein Aufblitzen plötzlichen Begreifens in den nichtmenschlichen Augen zu erkennen, doch es kam zu spät. Wir fielen der Länge nach in die kalten Salzfluten und meine tastenden Finger suchten und fanden die schräge Oberfläche des umgestürzten Gabenpfeilers. Keine Zeit für eine Warnung, bevor er uns verschluckte …
    … und in einen fast warmen Nachmittag entließ. Der Prinz entglitt mir und sank in einem Schwall Salzwasser, das mit uns die Reise gemacht hatte, kraftlos auf eine kopfsteingepflasterte Straße. Ich holte schnaufend Atem und schaute mich um. »Falsches Zeichen!« Ich hatte gewusst, dass diese Gefahr bestand, doch im Eifer der Flucht vor der Kreatur am Strand, hatte ich darüber nicht nachgedacht. Jede Flanke eines Gabenpfeilers trug ein Runenzeichen, an welchem der Reisende erkennen konnte, wohin es ihn bringen würde. Ein wunderbares System, vorausgesetzt man wusste die Zeichen zu deuten. Siedend heiß wurde mir bewusst, was für ein Risiko ich eingegangen war. Was, wenn dieser Pfeiler unter einem Erdrutsch oder ähnlichem begraben gewesen wäre oder in tausend Stücke zerbrochen? Ich wagte nicht, mir auszumalen, was aus uns geworden wäre. Fröstelnd starrte ich auf das fremde Panorama. Wir standen in den windgepeitschten Ruinen einer Stadt der Uralten. Etwas rührte an meine Erinnerung und ich fragte mich, ob es dieselbe Stadt war, in die vor Zeiten ein anderer Gabenpfeiler mich gebracht hatte. Doch es war nicht der Augenblick für Sentimentalitäten oder Spekulationen. Alles war schief gegangen. Mein ursprünglicher Plan hatte vorgesehen, dass ich allein durch den Pfeiler zurückkehrte, um meinen Freunden in der Gefahr beizustehen. Doch ich konnte den Prinzen nicht halb betäubt und allein in dieser Ruinenwüstenei zurücklassen, und auch unser Strand hatte sich als ungeeigneter Zufluchtsort erwiesen. Ich musste ihn wohl oder übel mitnehmen.
    »Wir müssen noch einmal zurück«, erklärte ich ihm. »Wir müssen auf demselben Weg in die Bocksmarken zurückehren, auf dem wir gekommen sind.«
    »Das hat mir nicht gefallen.« Seine Stimme bebte, und ich wusste instinktiv, dass er nicht die Kreatur am Strand meinte. Die Passage durch einen Gabenpfeiler war eine gespenstische Erfahrung für einen ungeschulten Verstand. Edel hatte rücksichtslos Gebrauch von den

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