Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
das wird schon wieder. Das Schlimmste haben wir hinter uns, bald wird alles wieder gut.«
Anschließend fing ich an zu summen, ebenfalls eine Weise, die ich von Burrich gehört hatte, wenn er verletzte Pferde behandelte oder bei einer fohlenden Stute saß. Ich glaube, die vertraute Melodie beruhigte mich mehr als den Prinzen oder Meine Schwarze. Zu guter Letzt hielt ich eine Art Vortrag, ihnen ebenso wie mir selbst. »Tja, es sieht aus, als hätte Chade Recht gehabt. Du wirst von der Gabe Gebrauch machen, ob man es dich lehrt oder nicht. Und ich fürchte, das Gleiche stimmt für die Alte Macht. Es liegt dir im Blut, Junge, und im Gegensatz zu manchen anderen glaube ich nicht, dass man es aus dir herausprügeln kann. Ich finde auch nicht, dass man es versuchen sollte. Doch man darf sich auch nicht Hals über Kopf hineinstürzen, wie du es getan hast. Sie ist genau genommen nicht so verschieden von der Gabe, die Alte Macht. Ein Mann muss sich Grenzen setzen, in allen Dingen, auch im Gebrauch seiner magischen Kräfte. Das gehört dazu, ein Mann zu sein. Falls wir also aus dieser Klemme lebend und mit heiler Haut herauskommen, werde ich dich unterrichten. Wie ich es sehe, unterrichte ich mich gleich mit. Vermutlich höchste Zeit für mich, einen Blick in die alten Schriften zu werfen und herauszufinden, was eigentlich genau darin steht. Auch wenn mir nicht ganz wohl dabei ist. In den letzten beiden Jahren ist die Gabe in mir wiedererwacht wie ein sich ausbreitendes Geschwür. Ich weiß nicht, wohin das führen wird. Und ich fürchte, was ich nicht weiß. Das ist der Wolf in mir, nehme ich an. Bei Edas Odem, lass ihn in Sicherheit sein, und den Narren! Gib, dass sie nicht Schmerzen leiden oder sterben, nur weil sie mich gekannt haben. Wenn ihnen etwas zustößt – es ist seltsam, nicht wahr, dass man immer erst merkt, wie viel einem jemand bedeutet, wenn man fürchten muss, ihn zu verlieren? Und dann glaubt man, dass man selbst nicht weiterleben kann, aber das Schreckliche ist, dass man natürlich weiterleben wird, weiterleben muss. Nur kann man nicht vorhersehen, wie man sich verändern wird. Wer werde ich sein, wenn Nachtauge von mir gegangen ist? Nimm zum Beispiel Klein Frettchen, damals. Es hat zu Ende gebracht, was seinen Verschwisterten das Leben kostete, auch wenn es nur noch einen einzigen Gedanken in seinem kleinen Gehirn hatte, nämlich Edel zu töten …«
»Was ist mit meiner Katze?«
So dünn seine Stimme klang, mir wurden die Knie weich vor Erleichterung, dass er wenigstens so weit bei Verstand geblieben war, um sprechen zu können. Gleichzeitig überdachte ich hastig meine unbesonnene Suada und hoffte, dass er ihr keine Beachtung geschenkt hatte.
»Wie fühlt Ihr Euch, Hoheit?«
»Ich kann meine Katze nicht spüren.«
Ein langes Schweigen folgte, endlich sagte ich: »Ich kann auch meinen Wolf nicht spüren. Manchmal hat er das Bedürfnis, mich aus seinem Bewusstsein auszuschließen.«
Er schwieg so lange, dass ich fürchtete, er wäre in seinen vorherigen abwesenden Zustand zurückgefallen, dann meinte er: »So fühlt es sich nicht an. Sie trennt uns. Es kommt mir vor, als sollte ich bestraft werden.«
»Bestraft für was?« Ich gab meiner Stimme bewusst einen leichten, beiläufigen Ton, als redeten wir übers Wetter.
»Weil ich dich nicht getötet habe. Weil ich nicht einmal versucht habe, dich zu töten. Sie versteht nicht, weshalb ich es nicht tue. Ich kann nicht erklären, weshalb ich es nicht tue. Aber darum zürnt sie mir.« Die Schlichtheit seiner Rede, die von Herzen kommenden Worte machten den Eindruck, als hätte ich es mit der Person hinter Standesdünkel und höfischer Etikette zu tun. Ich spürte, dass unsere Reisen durch den Gabenpfeiler viele Lagen Künstlichkeit über seinem eigentlichen Charakter abgeschliffen hatten. Er war jetzt äußerst verletzlich. Solche tiefernste Offenheit erlebt man bei Soldaten, die auf dem Schlachtfeld schwere Wunden davongetragen haben, oder bei Fieberkranken. All seine Schutzwehren waren weit geöffnet. Es schien, als ob er Vertrauen zu mir gefasst hätte, dass er von diesen Dingen sprach. Ich warnte mich, nicht darauf zu hoffen, nicht daran zu glauben. Nur die Mühsal, die er durchlitten hatte, machten ihn so zugänglich. Nur das. Ich wählte meine Worte mit Bedacht.
»Ist sie in diesem Moment bei Euch? Die Frau?«
Er nickte langsam. »Sie ist jetzt immer bei mir. Sie will nicht, dass ich eigene Gedanken habe.« Er schluckte und fügte zögernd
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