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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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schwarze Haar auf ihrem Rücken.
    »Ich weiß nicht, woraus sie gemacht ist. Sie wiegt fast gar nichts.«
    Wir hoben beide im selben Moment den Kopf.
    Vielleicht war es die Alte Macht, die uns die Gegenwart eines anderen Lebewesens meldete, aber ich bezweifle es. Mir jedenfalls war eine ekelhaft faulige Witterung in die Nase gestiegen. Doch seltsam, in dem Moment als ich den Kopf wandte, um die Quelle des Gestanks auszumachen, glaubte ich fast, es wäre ein betörendes Parfum. Fast.
    Manche Dinge vergisst man nie. Das verstohlene Tasten und Bohren wie von tausend fremden Gedankenfühlern im eigenen Kopf zu spüren, ist eins davon. Mich durchzuckte ein eisiger Schreck, und ich riss die Schilde rings um mein Bewusstsein hoch, ein Reflex, den ich vergessen geglaubt hatte. Der Erfolg bestand darin, dass ich den Pesthauch in seiner ganzen reifen Fülle wahrnahm, als ich die Alptraumkreatur vor mir sah.
    Sie war so groß wie ich, aber dabei handelte es sich nur um den aufgerichteten vorderen Teil ihres Körpers. Ich konnte nicht entscheiden, ob sie mich an ein Reptil oder an einen Meeressäuger gemahnte. Die nach vorn schauenden flachen Flunderaugen wirkten unnatürlich in ihrer Ausrichtung. Die Stirnwölbung des Schädels erschien übergroß, wie ein geschwüriger Auswuchs. Ihre Kinnlade fiel herunter, während sie uns anglotzte; das Maul hätte ein ganzes Kaninchen verschlucken können, auf einen Bissen. Eine steife, fischige Zunge reckte sich hervor, schnellte zurück, und die Kiefer schlugen zusammen.
    Zu meinem Schrecken lächelte der Prinz die Kreatur wie ein verliebter Hanswurst an. Er tat einen unsicheren Schritt auf sie zu. Schleunigst legte ich ihm die Hand auf die Schulter und grub die Finger in sein Fleisch. Ich bemühte mich, den Gabenbefehl zu nutzen, den ich ihm eingebrannt hatte, ohne meine eigene Abschirmung zu öffnen. »Komm mit mir«, sagte ich fest. Ich zog ihn zu mir zurück, und wenn er auch selbst nichts dazu tat, wenigstens sträubte er sich nicht.
    Das Wesen reckte sich noch höher empor. An beiden Seiten des Halses blähten sich Luftsäcke, als es stummelige Gliedmaßen hob und riesige flossenähnliche Hände spreizte. Krallen wie die Stacheln von Welsen bogen sich an den Spitzen der Fingerglieder. Dann hub es an zu sprechen, wenn man es so nennen kann, als wären seine Stimmwerkzeuge nicht für menschliche Laute ausgebildet. Die gurgelnd und rülpsend hervorgestoßenen Worte prallten gegen mich wie Kieselsteine. »Ihr seid nicht auf dem Pfad gekommen. Wie kamt ihr?«
    »Wir sind …«
    »Schweig!«, warnte ich den Prinzen und schüttelte ihn grob. Ich bewegte mich Schritt für Schritt rückwärts und zog Pflichtgetreu mit, aber die Kreatur wuchtete ihre ungeschlachten Massen hinter uns her. Woher war sie so plötzlich aufgetaucht? Ich schaute mich nach allen Seiten um, in der Angst, noch weitere dieser Scheusale zu entdecken, aber sie war allein. Unvermittelt buckelte sie erschreckend schnell vorwärts und brachte ihren gewaltigen Leib zwischen das Tafelland und uns. Ich reagierte, indem ich mich in Richtung des Wassers zurückzog. Das war ohnehin mein Ziel gewesen, der einzig aussichtsreiche Fluchtweg. Ich flehte zu den Göttern, dass die Ebbe den Gabenpfeiler freigeben möge.
    »Ihr dürft es nicht behalten!«, schnob die Kreatur uns an. »Was das Meer an den Kleinodenstrand spült, muss hier bleiben, für alle Zeit. Gebt zurück, was ihr gefunden habt!«
    Der Prinz öffnete die Hand. Das Figürchen entfiel ihm, aber die Kette blieb an seinen kraftlosen Fingern hängen, und daran baumelte es wie eine Marionette.
    »Gebt es zurück!«, wiederholte die Kreatur fordernd.
    Ich beschloss, auf diplomatische Feinheiten zu verzichten und zog das Schwert, ungeschickt mit der linken Hand, weil ich nicht wagte, den Prinzen loszulassen. »Komm nicht näher«, warnte ich. Meine Stiefel knirschten auf der Muschelschicht des zerklüfteten Felsengrunds. Ich riskierte einen Blick über die Schulter. Dahinten waren meine rechtwinkligen Quader, aber sie schauten nur so eben aus dem Wasser heraus. Die Kreatur deutete meinen Blick falsch.
    »Euer Schiff hat euch hier ausgesetzt! Da draußen ist nichts als das weite Meer. Gebt die Kette zurück!« Das Zischen, das die Worte begleitete, war im höchsten Maße beunruhigend. Wie eine Eidechse hatte das Scheusal keine Lippen, aber die Zähne, die das klaffende Maul sehen ließ, waren zahlreich und spitz. »Die Schätze an diesem Gestade sind nicht für Menschen

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