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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Pfeilern gemacht, um seine jungen Gabenkundigen zu transportieren, und sich nicht darum geschert, wie viele dabei den Verstand verloren. Ich wollte meinen Prinzen nicht einer solchen Gefahr aussetzen – nur hatte ich keine andere Wahl und keine Zeit.
    »Ich weiß«, sagte ich sanft. »Aber wir können nicht bleiben, sonst steigt die Flut zu hoch.« Er schaute mich verständnislos an. Ich wog es gegeneinander ab, seinen unversehrten Versand und das Wissen, welches die Katzenfrau durch ihn erlangte. Dann verwarf ich diese Bedenken. Er musste es verstehen, wenigstens ansatzweise, oder ich würde den Pfeiler mit einem sabbernden Idioten verlassen. »Wir müssen zurück zu dem Pfeiler am Strand. Wir wissen, auf einer der Seiten ist ein Symbol, das uns wieder in die Bocksmarken bringt. Wir müssen herausfinden, welches es ist.«
    Der Junge gab ein leises würgendes Geräusch von sich. Er kauerte auf dem Kopfsteinpflaster und drücke die Handballen gegen seine Schläfen. »Ich glaube nicht, dass ich das überlebe«, sagte er matt.
    Sein Elend schnitt mir ins Herz. »Durch Warten wird es nicht leichter. Ich werde Euch schützen, so gut ich kann, aber wir dürfen nicht säumen, Hoheit.«
    »Das Ding wartet vielleicht auf uns!«, rief er wild, aber ich glaube, er fürchtete die Passage mehr als jedes lauernde Ungeheuer.
    Ich bückte mich, legte die Arme um ihn und schleppte ihn trotz seiner Gegenwehr mit zu dem Pfeiler.
    Noch nie hatte ich einen Pfeiler zweimal so kurz hintereinander benutzt. Ich war nicht vorbereitet auf das Gefühl sengender Hitze. Als wir herauskamen, schnupfte ich aus Versehen warmes Salzwasser in die Nase. Ich stand auf und hielt den Kopf meines Schützlings über die Wellen. Die Hitze des Pfeilers brachte das Wasser zum Sieden. Und Pflichtgetreu hatte Recht gehabt. Vom Strand her ertönte überraschtes Gegrunze. Nachdem ich mir die triefenden Haarsträhnen aus dem Gesicht geschüttelt hatte, sah ich, dass mittlerweile vier der ungeschlachten Kreaturen dort versammelt waren. Unser ansichtig geworden, buckelten sie über den Sand und glitten ins Wasser. Keine Zeit um abzuwägen, nachzuschauen oder auszuwählen. Der Prinz lag an meiner Brust wie eine leblose Gliederpuppe. Ich ging das Wagnis ein, meine Schilde zu senken, um seinen Verstand beisammen zu halten. Während eine anrollende Woge mich auf die Knie stieß, schlug ich die flache Hand auf die Seite des Gabenfeilers. Er saugte mich ein.
    Diesmal erschien mir die Passage unerträglich. Ich nahm einen merkwürdigen Geruch wahr, irgendwie vertraut und dennoch abstoßend. Pflichtgetreu. Prinz Pflichtgetreu. Erbe der Weitseher. Sohn von Kettricken. Ich hüllte seine zerflatternden Gedanken in die meinen und nannte ihn bei jedem Namen, der mir einfallen wollte.
    Dann kam ein Moment, als ich seine Erwiderung spürte. Ich kenne dich. Das war alles, aber danach hielt er sich an sich selbst fest und an mir. Eine seltsame Passivität bestimmte unsere Verbindung, und als wir schließlich auf grünem Gras unter einem wolkenverhangenen Himmel landeten, fragte ich mich, ob nur der Prinz oder auch sein Verstand, die Flucht vom Strand der verlorenen Schätze heil überstanden hatte.

Kapitel 25 · Eintausch
    An folgenden Zeichen mag man erkennen, ob einer die Anlage zur Gabe besitzt:
    Ein Kind von der Gabe teilhaftigen Eltern.
    Ein Kind, welches bei Spielen, die körperliches Geschick erfordern, oft Sieger bleibt, während seine Gegner straucheln, den Mut sinken lassen oder eine schlechtere Leistung zeigen, als es ihrem Vermögen entspricht.
    Ein Kind, welches über Erinnerungen verfügt, die es der Natur nach nicht besitzen dürfte.
    Ein Kind, welches träumt, und seine Träume sind bunt und voll von Dingen, die über des Kindes eigene Erfahrung hinausgehen.
    DUN NADELSSOHN,
GABENMEISTER VON KöNIG HERRSCHER
    Das Hünengrab duckte sich über uns auf die Hügelkuppe. Es regnete, ein feines, aber Dauer versprechendes Geniesel. Das Gras war hoch und nass. Plötzlich hatte ich nicht mehr die Kraft, auf den Beinen zu stehen, erst recht nicht, den Prinzen aufrecht zu halten. Gemeinsam sanken wir auf die Knie, und ich legte ihn behutsam auf den Boden. Seine Augen waren offen, aber glasig. Nur sein rasselnder Atem verriet mir, dass er lebte. Wir befanden uns wieder in den Bocksmarken, aber unsere Lage hatte sich nur andeutungsweise verbessert.
    Beide waren wir nass bis auf die Haut. Nach einer Weile fiel mir ein seltsamer Geruch auf, und ich merkte, dass der Pfeiler hinter

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