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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Bogenschütze erneut. Er trat einen weiteren Schritt näher, und ich vernahm die leisen Geräusche eines straffer gezogenen Bogens. Mein Herz fing wieder an zu rasen. Ich kalkulierte die Entfernung, die ich überwinden musste, um ihn zu erreichen.
    »Halt!«, ließ plötzlich Fürst Leuenfarb sich vernehmen. »Gebt ihm einen Augenblick, um zu sich zu kommen. Die Kampfeswut hat ihn gepackt, und er ist nicht er selbst.« Er kam, drängte sich zwischen den Bogenschützen hindurch und trat zwischen sie und mich, unter völliger Nichtachtung der Pfeile, die nun auf seinen Rücken zeigten. Ebensolche Nichtachtung bezeigte er den Gescheckten, die sich widerstrebend teilten, um ihn durchzulassen. »Ruhig, Tom.« Er sprach zu mir wie zu einem vor Angst wild gewordenen Pferd. »Es ist vorbei. Es ist alles vorbei.«
    Er kam heran und legte mir die Hand auf den Arm, und ich hörte ein Raunen durch die Menge laufen, als hätte er etwas ungeheuer Mutiges getan. Bei seiner Berührung lösten sich meine Finger vom Schwertgriff, und die Waffe entfiel meiner Hand. Neben mir sank Pflichtgetreu plötzlich auf die Knie. Ich schaute auf ihn hinunter. Seine Hände und das Hemd waren voller Blut, aber anscheinend war es nicht seins. Er ließ mein Messer fallen und hob den schlaffen Körper der Nebelkatze vom Boden auf. Er drückte sie an die Brust wie ein totes Kind und wiegte sich klagend vor und zurück. »Mein Katze, meine Schwester.«
    Ein Ausdruck schmerzlichen Mitgefühls trat auf des Fürsten Gesicht. »Mein Prinz.« Er wollte sich niederbeugen und ihm die Hand auf die Schulter legen, aber ich hielt ihn zurück.
    »Lass ihn in Ruhe«, mahnte ich leise. »Gib ihm Zeit zu trauern.«
    Dann kam mein Wolf humpelnd durch die Menge auf mich zu. Als er bei mir anlangte, überkam auch mich eine große Schwäche, und ich sank neben ihm auf die Knie.
    Danach vergaß man Tom Dachsenbless und seinen Wolf für eine Zeit lang. Man ließ uns in Ruhe, während man Lutwins Anhänger von dem Prinzen wegführte. Uns war es recht, denn so konnten wir einfach nur zusammen sein, und ich hatte Gelegenheit zu verfolgen, was sich um uns herum abspielte. Die meiste Aufmerksamkeit schenkten wir dem Prinzen. Der Bogenschütze, Rehgesell, hatte eine betagte Heilerin mitgebracht. Sie legte ihren Bogen zur Seite und trat auf Pflichtgetreu zu. Ohne ihn zu berühren oder anzusprechen, setzte sie sich neben ihn auf den Boden und hielt mit ihm Totenwache. Nachtauge und ich wachten auf der anderen Seite. Einmal schaute sie mich an. Als unsere Blicke sich trafen, waren ihre Augen alt und müde und krank vor Trauer. Ich fürchte, sie sah in meinen Augen das Gleiche.
    Die Leichen derer, die ich getötet hatte, wurden hinausgetragen und auf ihre Pferde gebunden. Zu spät hörte ich den sich entfernenden Hufschlag und merkte, dass man den Gescheckten freien Abzug gewährt hatte. Ich biss die Zähne zusammen. Ich hätte es nicht verhindern können. Lutwin war der Letzte in der Reihe gewesen, nicht länger der Erste und Anführer; schwankend saß er im Sattel seines schäumenden Rosses, gestützt von einem jungen Burschen hinter ihm. Der Gedanke an ihn beunruhigte mich am meisten. Nicht nur hatte ich ihm den Prinzen entrissen, sondern auch das Tier erschlagen, in welchem die Seele seiner Schwester wohnte, und ihn selbst verstümmelt. Ich brauchte nicht noch mehr Feinde, als ich schon hatte, aber es lag nicht in meiner Macht, daran etwas zu ändern. Er war fort, und ich hoffte, ich würde es nicht eines Tages bereuen.
    Die Heilerin gab dem Prinzen Zeit, um sein Geschwistertier zu betrauern, bis die Sonne den Horizont berührte, dann schaute sie auf mich. »Nimm ihm das Tier aus den Armen«, forderte sie mich auf.
    Ich wollte es nicht, aber ich tat es dennoch.
    Es war schwer, ihn dazu zu bewegen, dass er den erkaltenden Körper der Katze hergab. Ich wählte meine Worte mit großer Sorgfalt. Dies war nicht der Augenblick, mit dem Gabenbefehl zu erzwingen, was er von sich aus nicht bereit war zu tun. Als er mir endlich erlaubte, die Katze von seinem Schoß zu nehmen, staunte ich, wie leicht das Tier war. Gewöhnlich scheint ein toter Körper, schlaff und schlenkernd, mehr zu wiegen als zu Lebzeiten, aber in diesem Fall offenbarte der Tod den jammervollen Zustand des kleinen Geschöpfs. »Als würde sie innerlich von Würmern zerfressen«, hatte Nachtauge gesagt und gar nicht Unrecht gehabt. Die Nebelkatze war ein ausgemergeltes kleines Wesen, das hübsche Fell struppig und

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