Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
einen Moment, kaum Zeit genug für mich, zwei Schritte zu tun und Pflichtgetreu hinter mir in die Nische zu drängen. Er war nicht geflohen, und nun war es zu spät. Vielleicht war es von Anfang an zu spät gewesen. Er lag auf den Knien, die Katze in den Armen. Ich schwang meine Klinge wie ein Tobsüchtiger und hielt die Meute zurück »Steh auf!«, schrie ich über die Schulter. »Nimm das Messer!«
Ich sah ihn nicht, spürte nur, wie er aufstand. Konnte nicht wissen, ob er das Messer aus dem Kadaver gezogen hatte. Flüchtig kam mir der Gedanke, ob er vielleicht Lust hatte, es mir in den Rücken zu stoßen. Der Haufen der Angreifer drängte heran, manche nicht freiwillig, sondern von denen in der hinteren Reihe weitergeschoben. Zwei Mann packten Lutwin und zogen seinen zusammengekrümmten Körper aus der Reichweite meiner Klinge. Einer sprang an ihnen vorbei und ging auf mich los. Die Enge erlaubte nur Metzgerhandwerk. Mein erster Seitwärtshieb schlitzte ihm den Bauch auf und zog mit dem restlichen Schwung einem zweiten Angreifer einen tiefen Schmiss quer durchs Gesicht. Das hielt sie auf, aber dann wogten alle auf einmal heran und behinderten sich dabei gegenseitig. Ich musste zurückweichen, fühlte den Prinzen beiseite treten und plötzlich standen wir beide mit dem Rücken zur Wand. Der Prinz beugte sich an mir vorbei, um nach einem Mann zu stechen, dem es gelungen war, durch meine Deckung zu schlüpfen, fuhr dann zur anderen Seite, als dort jemand auftauchte. Er begleitete den Stoß nach seinem Angreifer mit einem Kreischen wie von einer Wildkatze, und der Getroffene antwortete mit einem Schmerzensschrei.
Ich wusste, wir waren verloren, deshalb erschreckte es mich nicht sonderlich, als ein Pfeil an meinem Ohr vorbeiflog und hinter mir an der Wand zersplitterte. Irgendjemand stieß, aus welchem Grund auch immer, in ein Horn. Ich ignorierte es, wie ich die Schreie der Männer ignorierte, die vor mir niedersanken. Einer starb, seinem Nebenmann schnitt ich im Rückschwung den Lebensfaden ab. Ich führte wilde Schirmenschläge und – kaum zu glauben – die Gescheckten wichen zurück. Mit triumphierendem Gebrüll sprang ich in die Lücke und konnte so Pflichtgetreu wieder mit meinem Körper Deckung geben. »Kommt her und sterbt!«, schrie ich ihnen in die bleichen Gesichter und winkte einladend mit der freien Hand.
»Waffen nieder!«, befahl eine tönende Stimme.
Ich machte wieder einen Ausfall, aber meine Gegner schien der Kampfgeist verlassen zu haben, sie warfen die Schwerter auf den Boden. Eine Gasse tat sich auf, für einen Bogenschützen, der langsam auf mich zukam. Weitere Bogenschützen gaben ihm Deckung, aber sein aufgelegter Pfeil zielte mitten auf meine Brust. »Weg mit dem Schwert!«, wiederholte er. Es war der junge Gescheckte, der uns aufgelauert und Laurel verwundet hatte und dann mit ihr geflohen war. Während ich dastand und überlegte, ob ich ihn zwingen sollte, mich zu töten, trat Laurel hinter seinem Rücken hervor und sprach mich an. Sie bemühte sich um einen beschwichtigenden Tonfall, aber ihre Stimme schwankte.
»Steck das Schwert ein, Tom Dachsenbless. Du bist unter Freunden.«
Im Kampf wird die Welt klein, schrumpft alles Leben auf die Länge deiner Schwertklinge. Ich brauchte eine Weile, um wieder zur Besinnung zu kommen, und glücklicherweise ließ man mir diese Zeit. Ich starrte auf die Szene vor mir, bemühte mich, aus dem, was ich sah, klug zu werden: der Bogenschütze und Laurel und die Leute, die mit gespanntem Bogen hinter ihr standen. Neue Gesichter, ältere Leute als Lutwins Gescheckte. Sechs Männer und zwei Frauen. Die meisten waren mit Pfeil und Bogen bewaffnet, einige hatten nur lange Wanderstäbe. Einige der Pfeile waren auf Lutwins Getreue gerichtet. Sie hatten die Waffen fallen gelassen und wurden ebenso in Schach gehalten wie ich. Lutwin lag auf der Erde, rollte sich hin und her und hielt immer noch seinen Armstumpf umklammert. Zwei Schritte und wenigstens ihn konnte ich mitnehmen. Ich packte den Schwertgriff fester. Dann spürte ich Pflichtgetreus Hand an meinem Oberarm, er drückte ihn energisch nach unten. »Lass das Schwert, Tom«, sagte er ruhig und für einen Moment glaubte ich Veritas’ beschwichtigende Stimme an meinem Ohr zu hören. Die Kraft verließ meinen Arm, und die Schwertspitze sank herab, bis sie zu Boden deutete. Jeder keuchende Atemzug, den ich einsog, rann wie ein Feuerstrom durch meine ausgedörrte Kehle.
»Fallen lassen!«, kommandierte der
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