Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
und Furcht, verknüpft zu einer dunklen Kette – sie folgt deiner Lebenslinie wie ein schwarzer Schatten.«
    Wieder besseres Wissen überkam mich bei diesen Worten ein mulmiges Gefühl. Ich beugte mich vor, um in meine eigene Hand zu schauen. »Wahrscheinlich nur etwas Dreck«, meinte ich.
    Sie stieß ein kleines belustigtes Prusten aus und schüttelte wieder den Kopf, ließ es aber genug sein mit der Schicksalsdeutung. Stattdessen deckte sie ihre Hand über die meine und schaute mir in die Augen. »Niemals habe ich zwei derart grundverschiedene Handflächen bei ein und demselben Mann gesehen. Wahrscheinlich fragst du dich manchmal, ob du selbst weißt, wer du bist.«
    »Ich bin sicher, jeder Mensch fragt sich das von Zeit zu Zeit.« Aus irgendeinem Grund war es schwierig, ihrem kurzsichtigen Blick standzuhalten.
    »Hm. Aber du hast vielleicht triftigere Gründe, dich das zu fragen als andere.«
    Sie ließ meine Hände los, ich zog sie zurück und rieb sie unter dem Tisch aneinander, um das Prickeln ihrer Berührung auszulöschen. Sie nahm das Amulett, wendete es hin und her und knotete dann eine der Schnüre auf. Sie veränderte die Reihenfolge der Perlen und fügte eine braune Perle aus ihrem Vorrat hinzu. Dann knotete sie die Schnur wieder fest und nahm das Fläschchen mit der gelben Tinte, die sie von mir eingetauscht hatte. Sie tauchte einen feinen Pinsel ein und zeichnete, tief über ihre Arbeit gebeugt, mit Gelb die schwarzen Runen auf einer der Troddeln nach. »Wenn ich das nächste Mal zu Besuch komme, erwarte ich, dass du mir berichtest, dies wäre dein bestes Jahr gewesen für alle Pflanzen, die ihre Früchte über der Erde tragen, wo sie in der Sonne reifen.« Sie blies auf das Amulett, um die Tinte zu trocknen, dann packte sie Fläschchen und Pinsel ein. »Komm, jetzt müssen wir es für deinen Garten einrichten.«
    Draußen schickte sie mich nach einem gegabelten Ast, der mindestens so lang sein sollte wie ich. Als ich damit wiederkam, hatte sie in der Südostecke meines Gartens ein Loch gegraben. Ich stellte den Ast hinein, richtete ihn nach ihren Anweisungen aus, und füllte ringsum die Erde wieder ein. Sie hängte das Amulett an die rechte Zinke der Gabelung. Wenn der Wind sie bewegte, klapperten die Perlen leise und ein kleines Glöckchen bimmelte. Sie tippte mit der Fingerspitze dagegen. »Das schreckt manche Vögel ab.«
    »Ich danke dir.«
    »Gern geschehen. Dies ist ein guter Platz für eins meiner Amulette. Es freut mich, es hier zu wissen. Und wenn ich das nächste Mal komme, bin ich gespannt zu erfahren, wie gut es für dich gewirkt hat.«
    Zum zweiten Mal erwähnte sie einen nächsten Besuch. Ich besann mich auf meine guten Manieren. »Und wenn du wiederkommst, wirst du ebenso willkommen sein wie dieses Mal. Ich freue mich auf deinen Besuch.«
    Das Lächeln, das sie mir schenkte, vertiefte die Grübchen in ihren Wangen. »Ich danke dir, Tom. Ich komme ganz bestimmt wieder.« Sie neigte den Kopf ein wenig zur Seite und fügte mit plötzlicher Offenheit hinzu: »Ich weiß, du bist ein einsamer Mann, Tom. Das wird nicht immer so sein. Ich konnte merken, dass du anfangs an der Kraft meiner Amulette gezweifelt hast. Du zweifelst immer noch an der Wahrheit dessen, was ich in der Hand eines Menschen lese. Ich aber weiß es genau. Deine wahre und einzige Liebe ist in den Lauf deines Lebens eingeflochten. Die Liebe wird zu dir zurückkehren. Zweifle nicht daran.«
    Ihre haselnussbraunen Augen blickten mit solchem Ernst in meine, dass ich weder über sie lachen noch die Stirn runzeln konnte. Also nickte ich stumm. Ich schaute ihr nach, als sie schwer bepackt den Pfad hinunterging. Was sie gesagt hatte, arbeitete in mir, und Hoffnungen, lange unterdrückt, drängten ans Licht. Ich schob sie weg von mir. Molly gehörte jetzt zu Burrich, und er zu ihr. Es gab keinen Platz für mich in ihrem Leben.
    Ich straffte die Schultern. Arbeit wartete. Holz war zu stapeln, Fisch zu räuchern, Schindeln zu schneiden. Heute war wieder ein schöner Sommertag. Man musste das gute Wetter nutzen, solange es dauerte. Hinter dem Lächeln des Sommers dräut immer schon der grimmige Winter.

Kapitel 5 · Leuenfarb
    In den frühesten Berichten über die Territorien, aus denen später die Sechs Provinzen wurden, finden sich Hinweise, dass die Alte Macht nicht von jeher eine verpönte Magie gewesen ist. Diese Aufzeichnungen sind bruchstückhaft, und die Übersetzungen der alten Schriftrollen werden häufig angezweifelt, aber

Weitere Kostenlose Bücher