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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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die meisten Schriftgelehrten stimmen darin überein, dass es zu einer Zeit Siedlungen gab, in denen die Mehrzahl der Einwohner mit der Alten Macht geboren wurden und davon auch Gebrauch machten. Aus manchen der Aufzeichnungen glaubt man entnehmen zu können, dass es sich bei diesen Menschen um die ursprünglichen Bewohner der Gegend handelte. Das könnte der Ursprung des Namens sein, mit dem die Zwiehaften sich selbst bezeichnen: Altes Blut.
    In jenen Zeiten war das Land noch nicht so dicht besiedelt. Die Menschen ernährten sich von der Jagd und dem Sammeln von Pflanzen und Beeren in Wald und Flur, anstatt vom Ackerbau. Damals erschien vielleicht eine Verschwisterung zwischen Mensch und Tier weniger widernatürlich, weil die Menschen nicht viel anders lebten als die wilden Geschöpfe.
    Selbst in der jüngeren Geschichtsschreibung sind Berichte darüber, dass Zwiehafte wegen ihrer magischen Kräfte verfolgt wurden, selten. Dass diese Exekutionen überhaupt aufgezeichnet wurden, scheint darauf hinzudeuten, dass sie ungewöhnlich waren und deshalb bemerkenswert. Erst nach dem kurzen Regime von König Kämpfer, dem so genannten Gescheckten Prinzen, stellt man fest, dass die Alte Macht mit Abscheu betrachtet wird, und es gibt Tendenzen, dass ihre Ausübung mit dem Tod bestraft werden sollte. Aus der Zeit nach seiner Herrschaft gibt es Berichte über weit verbreitete Gemetzel unter den Zwiehaften. In einigen Fällen wurden ganze Dörfer ausgelöscht. Nach dieser Periode der blutigen Verfolgung waren jene vom Alten Blut entweder nahezu ausgerottet oder zu vorsichtig, um sich zu ihrem Erbe zu bekennen.
    Herrliche Sommertage folgten, einer auf den anderen, wie blaue und grüne Perlen auf einer Schnur. Mein Leben war ebenso wunderbar. Ich arbeitete in meinem Garten, ich beendete die Reparaturen an meiner lange vernachlässigten Behausung, und am frühen Morgen und im Zwielicht der milden Abende ging ich mit dem Wolf auf die Jagd. Ich erfüllte die Stunden mit guten und einfachen Dingen. Das Wetter blieb schön. Ich spürte bei der Arbeit die Sonne auf den Schultern, den kühlen Wind auf den Wangen, wenn ich abends an den Klippen entlangspazierte, und die reiche Schwere der Erde in meinem Garten. Ich hatte alles, um wunschlos glücklich zu sein. Der Fehler lag bei mir, da ich mich so dagegen sträubte.
    An manchen Tagen erreichte ich es fast. Der Garten war eine Pracht, die Erbsen wurden dick und prall, die Bohnen rankten sich in Windeseile am Spalier hinauf. Es gab Fleisch für den täglichen Bedarf und für den Vorrat, und das Haus wurde von Tag zu Tag sauberer und wohnlicher. Ich war stolz auf das Geleistete. Dennoch erwischte ich mich gelegentlich, dass ich im Garten bei Jinnas Amulett herumstand, müßig mit den Perlen spielte und den Pfad entlangschaute. Das Warten auf Harms Rückkehr war nicht so schlimm gewesen, als ich das Warten noch nicht spürte, doch nach und nach wurde das Warten auf den Jungen zu einem Sinnbild für mein ganzes Leben. Wenn er wieder hier war, was dann? Das war die Frage, die ich mir stellen musste. Wenn er Erfolg gehabt und sein Lehrgeld zusammenbekommen hatte, dann kam er nur heim, um wieder fortzugehen. Als jemand, der sein Bestes wollte, musste ich das wünschen. Kam er mit leeren Händen oder nur wenigen Groschen, musste ich überlegen, welche andere Möglichkeit es noch gab, die fehlende Summe aufzubringen. Und während der ganzen Zeit hieß es für mich warten. Nach dem Warten, dass Harm nach Hause kam, folgte das Warten darauf, dass er wieder fortging. Und dann? Dann – etwas anderes, sagte mein Herz, dann war es Zeit für etwas anderes als dies hier, aber ich konnte nicht greifen, was die Unruhe in mir schürte. In solchen Augenblicken, wenn ich mir dieser Unschlüssigkeit, dieses Schwebezustands bewusst wurde, war mir mein ganzes Leben ein Gefängnis. Dann erhob sich der Wolf mit einem Seufzen und kam zu mir und lehnte sich an mich und schob seinen breiten Schädel unter meine Hand.
    Hör auf, dich zu sehnen. Du vergiftest das Heute mit deinem Verlangen nach dem Morgen. Der Junge kommt heim, wenn er heimkommt. Welchen Grund gibt es, sich deswegen zu sorgen? Uns beiden geht es gut. Morgen kommt früh genug, so oder so.
    Ich wusste, er hatte Recht und meistens schüttelte ich die Stimmung ab und machte weiter mit meiner Arbeit. Einmal, ich gebe es zu, ging ich zu meiner Bank am Rand der Klippen, aber ich tat nichts weiter als mich hinsetzen und über das Meer schauen. Ich versuchte

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