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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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herstellst, aber scheinbar auch zu eigenem Gebrauch. Bist du ein Schreiber oder so etwas?«
    Ich hob kurz die Achseln. »Bescheidener Art. Ich versuche mich nicht an blumigen Illustrationen, wohl aber fertige ich einfache Zeichnungen an. Meine Schrift ist gerade so passabel. Für mich liegt die Befriedigung darin, Wissen auf Papier zu übertragen, wo es jedem zugänglich ist.«
    »Jedem, der lesen kann«, schränkte sie ein.
    »Das stimmt.«
    Sie schaute mich mit schief gelegtem Kopf an und lächelte. »Ich glaube, ich kann das nicht gutheißen.«
    Ich war überrascht, nicht allein wegen der Kritik, sondern weil sie imstande war, diese mit solcher Liebenswürdigkeit zu äußern. »Warum nicht?«
    »Vielleicht sollte Wissen nicht jedermann zugänglich sein. Vielleicht sollte es erworben werden, nur vom Lehrer an den würdigsten Schüler weitergegeben, statt auf Papier niedergeschrieben zu sein, wo jeder es sich aus müßiger Neugier aneignen kann.«
    »Ich gebe zu, ich hatte ganz ähnliche Bedenken«, erwiderte ich und dachte an die Gabenschriften, die Chade zurzeit studierte. »Andererseits habe ich von Fällen gehört, wo ein Meister unerwartet starb und alles, was er wusste, starb mit ihm, bevor er es an einen ausersehenen Nachfolger weitergeben konnte. Generationen lang gehortetes Wissen war mit seinem Tod unwiederbringlich dahin.«
    Sie schwieg eine Weile. »Tragisch«, meinte sie schließlich. »Denn auch wenn Meister eines Fachs einen großen Teil des Wissens gemeinsam haben, hütet doch jeder seine besonderen Geheimnisse, die ausschließlich für die eigenen Famuli bestimmt sind.«
    »Nimm jemanden wie dich zum Beispiel«, fuhr ich fort, meinen Vorteil ausnutzend. »Du praktizierst ein Gewerbe, welches auch eine Kunst ist, bestehend aus Kenntnissen und Fertigkeiten, die nur von anderen der Krudmagie Kundigen geteilt werden. Du hast keine Schülerin, soweit ich sehen kann. Ich möchte wetten, es gibt Teile deiner Magie, die nur dir allein gehören und die mit dir sterben werden, sollte dir heute Nacht etwas zustoßen.«
    Sie musterte mich einen stillen Augenblick lang, dann nahm sie noch einen Schluck aus ihrem Becher. »Das ist kein schöner Gedanke vor dem Schlafengehen«, meinte sie trocken. »Aber da ist noch etwas anderes, Tom. Ich bin des Schreibens unkundig. Ich könnte mein Wissen nicht in dieser Form niederlegen, außer jemand wie du hilft mir dabei. Und dann wäre ich nie sicher, dass du wirklich hingeschrieben hast, was ich weiß, oder was du glaubst, verstanden zu haben. Das ist das Wichtigste bei der Ausbildung einer Schülerin: dafür zu sorgen, dass die Junge lernt, was man gesagt hat und nicht was ihre Gedanken daraus gemacht haben.«
    »Da hast du Recht.« Wie oft war ich überzeugt gewesen, ich hätte Chades Anweisungen genau verstanden, und erlebte dann eine Katastrophe, wenn ich versuchte, das fragliche Gemisch auf eigene Faust herzustellen. Ich spürte eine Regung leisen Unbehagens, als ich mir Chade vorstellte, der entschlossen war, Prinz Pflichtgetreu allein nach dem geschriebenen Wort in der Gabe zu unterweisen. Würde er lehren, was ein vergessener Gabenmeister dem Pergament anvertraut hatte, oder was er daraus zu entnehmen glaubte? Was ging es mich an. Ich war ihnen nicht verpflichtet. Ich hatte ihn gewarnt, mehr konnte ich nicht tun.
    Danach schleppte die Unterhaltung sich nur noch schwerfällig dahin und bald legte Jinna sich in Harms Bett schlafen. Nachtauge und ich gingen hinaus, um das Hühnerhaus zu verschließen und den allabendlichen Rundgang zu machen. Alles war ruhig und friedlich in der lauen Sommernacht. Ich warf einen langen, sehnsüchtigen Blick in Richtung der Klippen. Die Wellen würden silberne Spitzensäume haben heute Nacht. Ich widerstand der Versuchung und spürte Nachtauges Erleichterung. Wir warfen noch einmal grüne Zweige auf das Schwelfeuer im Räucherhaus. »Schlafenszeit«, verkündete ich.
    In Nächten wie dieser sind wir früher auf die Jagd gegangen.
    Ja, du hast Recht Es wäre eine gute Nacht zum Jagen. Der Mond macht das Wild unruhig, sodass es leicht zu entdecken ist.
    Dennoch schloss er sich mir an, als ich zurück zur Hütte ging. Mochte die Erinnerung noch so lockend sein, wir waren beide nicht mehr die jungen Jäger von einst. Unsere Bäuche waren gefüllt, das Kaminfeuer warm und Ruhe linderte vielleicht den dumpfen Schmerz in Nachtauges Gelenken. Wir würden uns mit Träumen von früheren Jagden begnügen.
    Ich erwachte von morgenmunterem Werkeln

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