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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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gemacht.«
    »Tatsächlich?« Neugierig wie ein Kind entkorkte er eins der Fläschchen auf meinem Schreibtisch und steckte den kleinen Finger hinein. Als er ihn wieder herauszog, war die Spitze leuchtend rot. Er betrachtete sie sinnend. »Ich habe Burrichs Ohrring behalten«, verkündete er plötzlich, »statt ihn Molly zu geben.«
    »Das habe ich gesehen. Ich bin froh darüber. Es ist besser, wenn keiner von beiden weiß, dass ich noch lebe.«
    »Hm. Eine weitere Frage beantwortet.« Er brachte ein blütenweißes Taschentuch zum Vorschein und verschandelte es, indem er sich damit die Tinte vom Finger wischte. »So weit, so gut. Erzählst du mir nun die ganze Mär in chronologischer Reihenfolge, oder muss ich dir alles einzeln aus der Nase ziehen?«
    Ich seufzte. Mir graute davor, die Vergangenheit wieder lebendig werden zu lassen. Chade hatte sich mit einem Rapport über die Ereignisse begnügt, die das Haus Weitseher betrafen. Der Narr würde sich nicht damit zufriedengeben, und so gern ich abgewinkt hätte, ich konnte mich der Einsicht nicht verschließen, dass ich ihm einen ausführlichen Bericht schuldig war. »Ich werde mein Bestes tun. Aber ich bin müde, und wir haben viel zu viel getrunken, und die Geschichte ist zu lang, um sie an einem Abend zu erzählen.«
    Er beugte sich rücklings über die Stuhllehne. »Hast du erwartet, dass ich Morgen abreise?«
    »Ich dachte es.« Ich beobachtete sein Mienenspiel, als ich hinzufügte. »Gehofft habe ich es nicht.«
    Er nahm mich beim Wort. »Dein Glück, denn du hättest vergeblich gehofft. Zu Bett mit dir, Fitz. Ich schlafe auf der Pritsche des Jungen. Morgen ist früh genug, um einen Brückenschlag über fünfzehn Jahre in Angriff zu nehmen.«
    Der Marill des Narren war stärker als der Sandsegger, oder vielleicht war ich einfach erschöpfter als sonst. Ich schwankte in meine Kammer, zerrte mir das Hemd vom Leib und fiel ins Bett. Dort lag ich, fühlte mich wie auf einem Floß in leichter Dünung und horchte auf die leisen Schritte des Narren, der in der Stube hin und her ging, Kerzen löschte und den Riegel vorschob. Wahrscheinlich hätte außer mir keiner die leichte Unsicherheit in seinen Bewegungen wahrgenommen. Dann setzte er sich auf meinen Stuhl vor dem Kamin und streckte die Beine aus. Zu seinen Füßen brummte der Wolf und regte sich im Schlaf. Ich spürte behutsam zu ihm hin; er schlummerte tief und fest und verströmte Zufriedenheit.
    Ich machte die Augen zu, doch sofort begann sich alles um mich zu drehen und mir wurde übel. Ich öffnete die Lider einen Spalt und schaute zu dem Narren hin. Er blickte sehr still ins Feuer, aber die tanzenden Flammen liehen seinen Zügen ihre Bewegung. Die Umrisse seines Gesichts veränderten sich im Spiel von Licht und Schatten. Das Gold von Haut und Augen hätte vom Widerschein des Feuers stammen können, aber ich wusste es besser.
    Es war schwer, sich klar zu machen, dass er nicht länger der Schabernack treibende Hofnarr war, der viele Jahre lang König Listenreich gedient und beschützt hatte. Sein Körper hatte sich nicht verändert, außer in der Farbe. Die anmutigen, langfingrigen Hände hingen über die Armlehnen des Stuhls. Sein Haar, früher hell und flaumig wie Pusteblumen, wurde nun von einem silbernen Band aus dem Gesicht gehalten und war im Nacken zu einem Zopf geflochten. Er schloss die Augen und lehnte den Kopf an die Stuhllehne. Feuerschein tönte sein aristokratisches Profil bronzefarben. Die vornehmen Kleider von heute mochten an sein winterliches Narrengewand in Schwarz und Weiß erinnern, doch ich war überzeugt, er würde nie wieder Schellen und Bänder tragen und ein rattenköpfiges Narrenzepter. Sein rascher Witz und seine scharfe Zunge beeinflussten nicht länger den Kurs politischer Ereignisse. Er lebte sein eigenes Leben. Ich versuchte, ihn mir als vermögenden Weltmann vorzustellen, der reiste und selbst über sein Tun und Lassen bestimmte. Ein plötzlicher Gedanke rüttelte mich aus dem Halbschlaf.
    »Narr?«, rief ich laut in die dunkelnde Stube.
    »Was?« Seine Augen blieben geschlossen, aber die prompte Antwort zeigte, dass er noch hellwach war.
    »Ein Narr bist du nicht mehr. Wie nennt man dich neuerdings?«
    Ein träges Lächeln krümmte den für mich sichtbaren Mundwinkel. »Wie nennt mich wer wann?«
    Das war wieder der keck-herausfordernde Ton des Hofnarren Seiner Majestät. Wenn ich auf diese Frage einging, würde er mich in verbale Akrobatik verwickeln, bis ich es aufgab, ihm eine

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