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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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wir beide nicht zustimmen konnten.
    Unseren ersten Zusammenstoß deswegen hatten Rolf und ich, als es darum ging, unsere Winterbehausung zu bauen. Wir entschieden uns für einen Platz in der Nähe von Rolfs und Hollys Heim, doch weit genug entfernt, dass wir uns nicht gegenseitig störten. An jenem ersten Tag nahm ich den Bau der Hütte in Angriff, während Nachtauge auf die Jagd ging. Als Rolf vorbeikam, machte er mir Vorhaltungen, weil ich Nachtauge zwang, in der Behausung eines Menschen zu leben. Rolfs Haus war vor eine natürliche Höhle im Berg gebaut und teils Bärenlager, teils Wohnstatt von Menschen. Er bestand darauf, dass Nachtauge für sich eine Wohnung in den Berghang grub und ich meine Hütte danach plante. Als ich mit Nachtauge darüber sprach, lautete seine Erwiderung, er sei von je an menschliche Behausungen gewöhnt und sähe keinen Grund, weshalb nicht ich es übernehmen sollte, nach meinen Vorstellungen ein behagliches Heim für uns beide zu schaffen. Als ich Rolf davon in Kenntnis setzte, ließ er ein Donnerwetter los und belehrte Nachtauge, er fände nichts Amüsantes daran, dass er seine Natur der selbstsüchtigen Interessen seines Partners wegen verleugnete. Sein Standpunkt war so weit entfernt von unseren Gefühlen in dieser Sache, dass wir um ein Haar Kräheneck stehenden Fußes verlassen hätten. Nachtauge war derjenige, der entschied, wir müssten ausharren und lernen. Wir fügten uns also Rolfs Anweisungen; Nachtauge wühlte sich lustlos eine Höhle in den Hang und ich setzte meine Hütte davor. Allerdings verbrachte der Wolf nur sehr wenig Zeit in seiner Wolfshöhle und gab der Wärme meines Herdfeuers den Vorzug, aber das blieb Rolf verborgen. Die meisten meiner Unstimmigkeiten mit Rolf hatten den gleichen Ursprung. Ihm war Nachtauge zu sehr vermenschlicht, hingegen sah er zu wenig vom Wolf in mir. Gleichzeitig warnte er uns beide, dass wir uns zu eng verbunden hatten, dass er keine Stelle finden konnte, wo er nur einen von uns spürte und nicht auch den anderen. Vielleicht das Wichtigste, was wir von Rolf lernten, war wie wir es anstellen konnten, uns gegeneinander abzugrenzen. Durch mich vermittelte er Nachtauge die Vorstellung, dass jeder von uns seinen privaten Bereich brauchte, zum Beispiel in Liebesdingen oder um zu trauern. Mir war es nie gelungen, den Wolf zu überzeugen, dass die Notwendigkeit für eine solche Abgrenzung bestand. Wieder lernte Nachtauge die Lektion schneller und besser als ich. Wenn er wollte, konnte er sich für meine Wahrnehmung vollkommen unsichtbar machen. Mir gefiel es nicht, mich so – halbiert zu fühlen, und doch erkannten wir beide die Weisheit darin und bemühten uns, unsere Fertigkeiten auf diesem Gebiet zu vervollkommnen. Doch so sehr wir selbst mit unseren Fortschritten zufrieden sein mochten, Rolf blieb dabei, dass wir nicht imstande waren, uns wirklich zu vereinzeln. Als ich die Achseln zuckte und meinte, das sei nicht so wichtig, geriet er beinahe außer sich.
    »Und wenn einer von euch stirbt, was dann? Der Tod kommt zu uns allen, früher oder später, und man kann ihn nicht betrügen. Zwei Seelen können nicht lange in einem Körper existieren, ohne dass eine die Kontrolle übernimmt und die andere zu einem Schatten verblasst. Es ist eine Grausamkeit, wer auch immer die Oberhand gewinnt. Deshalb verurteilen alle, denen die Tradition heilig ist, solches gieriges Festhalten am Leben.« Hier musterte Rolf mich finsterer denn je. Argwöhnte er, dass ich schon einmal dem Tod auf diese Art ein Schnippchen geschlagen hatte? Unmöglich. Treuherzig erwiderte ich seinen Blick.
    Er runzelte die schwarzen Brauen. »Wenn ein Leben zu Ende ist, ist es zu Ende. Es über dieses Ende hinaus verlängern zu wollen, ist widernatürlich. Doch allein wir mit der Alten Macht kennen das wahre Ausmaß des Schmerzes, wenn zwei Seelen, die verschwistert sind, vom Tod auseinander gerissen werden. Es muss sein. Ihr müsst fähig sein, euch in euch selbst zurückzuziehen, wenn dieser Zeitpunkt kommt.« Während er sprach, blickte er bedeutungsvoll von einem zum anderen. Nachtauge und ich wurden still, als wir darüber nachdachten. Sogar Rolf schien endlich zu merken, wie sehr uns die Vorstellung erschreckte. Seine Stimme wurde brummiger, aber auch freundlicher. »Unser Brauch ist nicht grausam, wenigstens nicht grausamer als notwendig. Es gibt einen Weg, die Erinnerung an all das, was man geteilt hat, zu erhalten. Einen Weg, die Stimme der Weisheit des anderen zu bewahren

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