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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Himmel zogen. Ich folgte ihr, nicht mit meinen Menschenaugen, sondern mit dem Band der Alten Macht zwischen uns. Ich war trunken vor Liebe zu ihr und trunken von dieser Nacht, berauscht von dem süßen Nektar der Freiheit. Trotzdem wusste ich, ich musste zurücksein, bevor die Sonne aufging. Und sie wusste, dass wir nicht zurückkehren würden, dass es keinen besseren Augenblick gab als diesen, um unsere Flucht zu bewerkstelligen.
    Mit dem nächsten Atemzug war dieses Wissen aus mir getilgt. Wie vorher prangte und lockte die Nacht ringsum, doch ich war ein erwachsener Mann, nicht ein vom Wunder der ersten Verschwisterung seliger Junge. Ich wusste nicht, wen ich belauscht hatte, wo sie waren, noch wie es kam, dass wir für diesen kurzen Moment so vollkommen ineinander aufgegangen waren. Ob er mich wahrgenommen hatte wie ich ihn? Unwichtig. Wer und wo sie sein mochten, ich wünschte ihnen Glück bei ihrer nächtlichen Jagd. Ihr Bund sollte lange währen und sie bis ins Mark durchdringen.
    Ich spürte einen fragenden Ruck an der Leine. Malta hatte ihren Durst gelöscht und wollte nicht stillstehen, während die Mücken sich über sie hermachten. Auch mein eigener warmer Körper hatte einen Schwann kleiner Plagegeister angelockt. Die Stute schlug mit dem Schweif, und ich wedelte mit der Hand vor meinem Gesicht, um die Blutsauger zu verjagen, bevor wir unseren Weg hangabwärts fortsetzten. Nachdem ich sie für die Nacht versorgt hatte, schlüpfte ich zurück in die Hütte, um mich wieder schlafen zu legen. Nachtauge hatte sich ausgestreckt und beanspruchte den größten Teil des Bettes für sich, aber das störte mich nicht. Ich machte mich neben ihm lang und legte eine Hand leicht auf seine Rippen. Das gleichmäßige Schlagen seines Herzens und das Ein und Aus seiner Atemzüge waren beruhigender als jedes Wiegenlied. Als ich die Augen schloss, fühlte ich mich zufrieden wie seit Wochen nicht mehr.
    Am nächsten Morgen erwachte ich früh und ausgeruht. Mein nächtlicher Ausflug schien für mich erholsamer gewesen zu sein als Schlaf. Dem Wolf war keine solche Wohltat widerfahren, er lag da wie tot, nur dass seine Flanken sich atmend hoben und senkten. Mir schlug das Gewissen, aber dann sagte ich mir, dass ich keinen Grund hatte, mich schuldig zu fühlen. Auch wenn mein Eingreifen in die Vorgänge seines Körpers für diese tiefe Erschöpfung verantwortlich war – hätte ich ihn sterben lassen sollen? Ich überließ ihm das Bett, ohne den Versuch gemacht zu haben, ihn zu wecken.
    Die halb offene Haustür sagte mir, dass der Narr nach draußen gegangen war. Ich brachte ein kleines Feuer in Gang, setzte den Kessel auf und nahm mir dann die Zeit, mich zu waschen und zu rasieren. Ich hatte mir eben das Haar hinter die Ohren gestrichen, als ich die Schritte des Narren auf der Veranda hörte. Mit einem Korb voller Eier trat er in die Stube. Als ich das Handtuch vom Gesicht nahm und den Kopf hob, blieb er wie angewurzelt stehen. Sein Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen.
    »Sieh an, es ist Fitz! Ein bisschen älter, ein bisschen fadenscheinig hie und da, aber immer noch unser guter Firlefitz. Ich war die ganze Zeit schon neugierig, wie du unter dem Haarwald aussehen mochtest.«
    Ich warf einen Blick in den Spiegel. »Wohl wahr, dass ich mein Äußeres sträflich vernachlässigt habe.« Ich schnitt meinem Spiegelbild eine Grimasse, dann tupfte ich mir mit dem Handtuchzipfel einen Blutstropfen von der Wange. Wie gewöhnlich hatte das Rasiermesser die alte Narbe geritzt, die aus meiner Zeit im Kerker der Bocksburg stammte. Vielen Dank, Vetter Edel. »Merle hat behauptet, ich sähe älter aus als ich bin. Dass ich nach Burgstadt zurückkehren könnte und nicht fürchten müsste, dass mich jemand erkennt.«
    Mit einem missbilligenden Schnalzen stellte der Narr den Korb auf den Tisch. »Merle hat wie üblich Unrecht, in beiden Punkten. Für die Anzahl von Jahren und Leben, die du gelebt hast, siehst du erstaunlich jung aus. Es stimmt, dass Erfahrung und die Unbilden des Schicksals deine Züge verändert haben; wer sich an Fitz, den Knaben, erinnert, wird ihn in dem gereiften Mann nicht erkennen. Doch einige von uns, mein Freund, würden dich immer erkennen – sogar frisch gehäutet und lichterloh in Flammen stehend.«
    »Na, das ist einmal ein tröstlicher Gedanke.« Ich legte den Spiegel hin und befasste mich mit der Zubereitung des Frühstücks. »Die Farbe deiner Haut, von Haar und Augen hat sich verändert«, bemerkte ich,

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