Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
während ich die Eier in eine Schüssel schlug. »Aber du selbst siehst keinen Tag älter aus als damals, als unsere Wege sich trennten.«
Der Narr goss das kochende Wasser in die Teekanne. »So ist das bei meinem Volk. Uns ist eine längere Spanne Leben zugemessen, deshalb sind meine Jahre andere als deine. Ich habe mich verändert, Fitz, auch wenn du nur die Farbe meiner Haut siehst. Damals stand ich noch am Anfang des Erwachsenwerdens. Alle möglichen neuen Empfindungen und Ideen brodelten in mir, so viele, dass ich mich kaum darauf besinnen konnte, was meine Pflichten waren. Wenn ich daran zurückdenke, wie ich mich aufgeführt habe, nun, dann bin sogar ich selbst peinlich berührt. Jetzt, sei versichert, bin ich sehr viel reifer. Ich weiß heute, es gibt eine Zeit und einen Ort für alles, und das, was mir zu tun bestimmt ist, muss Vorrang haben vor allem, was ich vielleicht zu meinem eigenen Vergnügen zu tun Lust hätte.«
Ich goss die gequirlten Eier in die Pfanne und stellte sie an den Rand des Feuers. »Wenn du orakelst, macht es mich rasend. Wenn du aber offen über dich sprichst, macht es mir Angst.«
»Umso mehr ein Grund, nicht über mich zu sprechen«, verkündete er mit aufgesetzter Munterkeit. »Nun. Was steht für heute auf dem Plan?«
»Ich weiß nicht.« Dabei rührte ich die Eier um und rückte die Pfanne dichter ans Feuer.
Der veränderte Ton in meiner Stimme ließ ihn aufhorchen. »Fitz? Stimmt irgendetwas nicht?«
Ich konnte mir meinen plötzlichen Katzenjammer selbst nicht erklären. »Mir kommt alles so sinnlos vor. In den vergangenen Jahren, wenn ich wusste, dass Harm über den Winter hier sein würde, habe ich dafür gesorgt, dass die Vorratskammer gefüllt war. Bevor er zu mir kam, war mein Garten nur ein Viertel so groß und Nachtauge und ich gingen jeden Tag für unser Fleisch auf die Jagd. Machten wir Beute – gut; gingen wir ein, zwei Tage leer aus – auch gut. Heute schaue ich mir an, was ich bereits eingelagert habe und denke, falls der Junge nicht hier sein sollte, falls Harm bei seinem Lehrmeister überwintert, nun, dann reicht es längst für Nachtauge und mich. Manchmal kommt es mir vor, als hätte das ganze Schaffen keinen Sinn. Und dann frage ich mich, ob mein Leben überhaupt einen Sinn hat.«
Eine Falte grub sich zwischen die Augenbrauen des Narren. »Das klingt nach Weltschmerz. Oder ist es noch die Bitterkeit der Elfenrinde?«
»Nein.« Ich nahm die Pfanne mit Rührei und trug sie zum Tisch. Fast war es eine Erleichterung auszusprechen, was ich so lange verdrängt hatte. »Ich glaube, das war der Grund, weshalb Merle Harm zu mir gebracht hat. Sie muss gesehen haben, dass ich ohne Ziel und Zweck vor mich hinlebte und brachte mir jemanden, um meiner Zeit Gestalt zu geben.«
Der Narr stellte die Teller knallend auf den Tisch und klackste mit zornigem Schwung das Essen darauf. »Wenn du meine Meinung hören willst, hältst du sie für viel zu selbstlos. Ich vermute, sie fühlte sich spontan bemüßigt, den Jungen aufzugabeln, und als er ihr lästig wurde, hat sie sich seiner elegant entledigt und ihn bei dir abgeladen. Reines Glück dass es für euch beide ein Gewinn war.«
Ich sagte nichts. Die Stärke seiner Abneigung gegen Merle erstaunte mich. Ich setzte mich hin und fing an zu essen, doch er war noch nicht fertig.
»Falls Merle dachte, jemand müsste deiner Zeit Gestalt geben, dann war nach ihrer Überzeugung dieser Jemand sie selbst. Ich bezweifle, dass ihr je der Gedanke gekommen ist, du könntest noch anderer Gesellschaft bedürfen als der ihren.«
Mich beschlich die unangenehme Ahnung, er könnte Recht haben, besonders wenn ich daran dachte, wie geringschätzig sie bei ihrem letzten Besuch von Harm und Nachtauge gesprochen hatte. »Nun, was immer sie gedacht oder nicht gedacht haben mag, ist jetzt nicht mehr von Belang. Ich bin jedenfalls entschlossen, Harm bei einem guten Lehrmeister unterzubringen. Aber danach …«
»Danach bist du frei, dein eigenes Leben wieder aufzunehmen. Ich habe das Gefühl, es wird dich zurück zur Bocksburg führen.«
»Du hast ein ›Gefühl‹?«, fragte ich ironisch. »Das Gefühl eines Narren oder das Gefühl eines Weißen Propheten?«
»Da du meinen Prophezeiungen niemals Glauben geschenkt hast, was kümmert’s dich?« Er lächelte verschmitzt und machte sich über sein Rührei her.
»Einoder zweimal sah es aus, als würden deine Vorhersagen eintreffen. Obwohl sie immer so nebulös waren, dass sie auf jedes Ereignis
Weitere Kostenlose Bücher