Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
finden. Ironie des Schicksals, dass ich es dabei fertig gebracht hatte, mich des Lebens zu berauben, von dem ich glaubte, es sei das meine. Um ein Dasein nach eigener Fasson führen zu können, brach ich alle Brücken hinter mir ab, durchschnitt das Band zu allen, die mich geliebt hatten, und die mir teuer gewesen waren.
    Das war nicht die ganze Wahrheit, aber die triste Färbung passte zu meiner augenblicklichen Stimmung, auch wenn mir bewusst war, dass ich mich in Selbstmitleid suhlte. Meine letzten drei Versuche, eine purpurne Tinte herzustellen, färbten sich wie die vorigen beim Trocknen bräunlich, in einem Fall allerdings mit einem sehr aparten Roséton. Ich legte diesen Zettel mit dem Rezept zur späteren Verwendung beiseite. Die Farbe eignete sich ausgezeichnet für botanische Illustrationen.
    Ich erhob mich steif und reckte die Glieder. Der Narr hob den Blick von seiner Schnitzarbeit. »Hunger?«, erkundigte ich mich.
    Er überlegte. »Sagen wir Appetit. Lass mich das Kochen übernehmen. Was du auf den Tisch bringst, füllt den Magen, doch ohne den Gaumen auch nur zu kitzeln.«
    Er legte die Figur hin, an der er gearbeitet hatte. Als er sah, dass mein Blick darauf ruhte, deckte er rasch, fast eifersüchtig, ein Tuch darüber. »Sobald sie fertig ist«, versprach er und begann mit einer zielstrebigen Durchforstung meiner Schränke und Regale. Während er die mangelnde Vielfalt meines Sortiments an Gewürzen beklagte, verließ ich die Hütte zu einem Spaziergang. Ich sprang über den Bachlauf, der einen bequemen Weg nach unten zum Strand vorgab. Statt ihm zu folgen, wanderte ich gemächlich den Hang hinauf, vorbei an Vierklee und der Stute, die beide frei grasten. Auf dem Kamm des Hügels spazierte ich langsam weiter zu meiner Bank. Ich setzte mich. Wenige Schritte vor mir brach die grüne Wiese jäh ab und Schieferklippen stürzten senkrecht zu einem felsigen Uferstreifen hinab. Von der Bank aus sah ich nichts, als die weite Fläche des Ozeans bis zum Horizont. Die schmerzhafte Rastlosigkeit meldete sich zurück. Ich dachte an meinen Traum von dem Jungen und der jagenden Katze draußen in der Nacht und lächelte in mich hinein. Weglaufen, alles hinter sich lassen, hatte die Katze den Jungen gelockt, und der Gedanke hatte auch für mich seinen Reiz.
    Aber – vor Jahren hatte ich genau das getan, und hier war ich nun. Frieden und Selbstgenügsamkeit, ein Dasein, mit dem ich hätte glücklich sein müssen, und ich sehnte mich fort davon.
    Einige Zeit darauf kam der Narr, um mir Gesellschaft zu leisten. Nachtauge war bei ihm und ließ sich mit einem leidenden Seufzer zu meinen Füßen nieder. »Quält dich der Gabenhunger?«, erkundigte sich der Narr teilnahmsvoll.
    »Nein.« Fast hätte ich aufgelacht. Der Hunger, den er, ohne es zu ahnen, gestern in mir geweckt hatte, war von dem Elfenrindentee nicht gestillt, aber betäubt worden. Auch wenn ich mir wünschte, mit der Gabe hinauszugreifen, jemanden zu berühren, vorläufig war ich dazu nicht in der Lage.
    »Unser Abendessen gart auf kleiner Flamme, also besteht kein Grund zur Eile. Wir haben reichlich Zeit.« Nach einer Pause fragte er behutsam: »Und nachdem ihr die Gemeinschaft derer vom Alten Blut verlassen hattet, wohin seid ihr gegangen?«
    Ich seufzte. Der Wolf hatte Recht gehabt. Mit dem Narren zu sprechen, half mir beim Nachdenken. Andererseits, womöglich brachte er mich dazu, zu viel nachzudenken. Ich richtete den Blick in die Vergangenheit und knüpfte mit meinem Bericht dort wieder an, wo ich aufgehört hatte.
    »Immer der Nase nach. Wir hatten kein Ziel. Wir haben uns treiben lassen.« Ich schaute über das Wasser. »Vier Jahre lang zogen wir umher, durch alle Sechs Provinzen. Ich habe Tilth im Winter erlebt, wenn der Wind den Schnee in Fahnen über die Ebenen treibt und die Kälte bis ins Mark der ihrer Kleider beraubten Erde dringt. Wir durchquerten ganz Farrow, um nach Rippon zu gelangen und wanderten dann weiter bis zur Küste. Manchmal nahm ich als Mensch Arbeit an und kaufte Brot, und manchmal jagten wir beide als Wölfe und aßen unser Fleisch blutwarm.«
    Ich warf einen Blick auf den Narren. Er lauschte gespannt. Falls er ein Urteil über mich fällte, war es ihm nicht anzusehen.
    »Nachdem wir die Küste erreicht hatten, schifften wir uns nach Norden ein, obwohl Nachtauge das nicht vertrug. Mitten im Winter statteten wir dem Herzogtum Bearns einen Besuch ab.«
    »Bearns?« Er überlegte. »Du warst seinerzeit der Lady Zelerita von Bearns

Weitere Kostenlose Bücher