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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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anderen, aus Holz geschnitzten Ohrringen.
    »Burrich«, sagte der Narr leise. »Und Molly. Ich frage dich diesmal ohne Umschweife: Hast du nach ihnen gesucht?«
    Ich senkte den Kopf und betrachtete angelegentlich die Maserung der Tischplatte. »Ja«, gestand ich endlich. »Ich habe versucht, sie zu finden. Seltsam, dass du gerade jetzt fragst, denn während ich in Chalced unterwegs war, ergriff mich, aus heiterem Himmel, das Verlangen, sie zu suchen.«
    Eines Abends, wir lagerten ein gutes Stück neben der Straße, drängte sich ein ungemein echt wirkender Traum in meinen Schlummer. Vielleicht erreichten mich die Bilder, weil sie in einem Winkel ihres Herzens immer noch mein Andenken bewahrte. Doch ich träumte nicht von Molly, wie ein Liebender von der Geliebten träumt. Ich träumte von mir selbst, kam es mir vor, ein Kind und fiebrig und sterbenskrank. Es war ein schwarzer Traum, ein Traum nur aus Empfindungen, ohne Bilder. Ich lag zusammengerollt an Burrich geschmiegt, und seine Nähe und sein Geruch waren der einzige Trost in meinem Elend. Dann berührten unerträglich kalte Hände meine fieberheiße Haut. Sie wollten mich aufheben und wegnehmen, aber ich sträubte mich und schrie und klammerte mich an ihn. Burrichs starker Arm umfing mich. »Lass sie hier«, befahl er heiser.
    Aus einiger Entfernung hörte ich Mollys Stimme, bebend und verzerrt. »Burrich, du bist genauso krank wie sie. Du kannst nicht für sie sorgen. Gib sie mir, damit du zur Ruhe kommst.«
    »Nein. Lass sie mir. Kümmere dich um Chiv und dich selbst.«
    »Deinem Sohn geht es gut. Wir beide sind nicht krank. Nur du und Nessel. Gib sie mir, Burrich.«
    »Nein«, hörte ich ihn ächzen. Seine Hand legte sich schützend auf mich. »Genauso hat die Blutpest angefangen, als ich ein Junge war. Sie hat alle getötet, die ich liebte. Ich könnte es nicht ertragen, wenn du sie mir wegnimmst und sie stirbt. Lass sie hier bei mir.«
    »Damit ihr zusammen sterben könnt?« Ihre erschöpfte Stimme wurde schrill.
    Seine Antwort klang schicksalsergeben. »Wenn es so bestimmt ist. Der Tod ist kälter, wenn er dich allein findet. Ich werde sie in den Armen halten bis zuletzt.«
    Er redete im Fieberwahn, und ich spürte sowohl Mollys Zorn als auch ihre Angst um ihn. Sie brachte ihm Wasser, und ich wurde unruhig, als sie seinen Oberkörper beim Trinken stützte. Ich bemühte mich, aus der Tasse zu trinken, die sie mir an den Mund hielt, aber meine Lippen waren aufgesprungen, und mein Kopf tat schrecklich weh, und das Licht war zu grell. Als ich die Tasse wegstieß, schwappte Wasser auf meine Brust, eisig kalt, und ich schrie auf und begann zu weinen. »Nessel, mein Herz, still doch, sei still«, wollte sie mich beruhigen, aber ihre Hände waren wie Eis, als sie mich anfasste. Ich wollte nichts mit meiner Mutter zu tun haben, nicht in diesem Moment, und ich spürte einen Schatten von Nessels Eifersucht, dass nun ein anderes Kind den Thron von Mollys Schoß für sich beanspruchte. Ich klammerte mich an Burrichs Hemd fest, und er drückte mich an sich und summte leise mit seiner tiefen Stimme. Ich vergrub mein Gesicht an seiner Brust, wo das Licht meine Augen nicht erreichen konnte, und versuchte zu schlafen.
    So krampfhaft bemühte ich mich, in Schlaf zu fallen, dass ich mich ins Wachsein hineinsteigerte. Ich hörte mich stöhnend ein-und ausatmen und schlug die Augen auf. Obwohl ich schweißgebadet war, konnte ich die Enge meiner heißen, trockenen Haut in dem Traum nicht vergessen.
    Beim Hinlegen hatte ich mich in meinen Umhang gewickelt, jetzt befreite ich mich fast panisch daraus. Unser Lagerplatz befand sich an einem Bachufer; ich stolperte zum Wasser und trank durstig. Als ich den Kopf hob, sah ich, dass der Wolf sehr aufrecht dasaß und mich beobachtete, die Rute hübsch ordentlich um alle vier Pfoten gelegt.
    »Er wusste, was die Stunde geschlagen hatte. Noch in derselben Nacht brachen wir auf.«
    »Dann hattest du einen Anhaltspunkt, wo sie zu finden sein könnten?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich hatte gar nichts. Ich erinnerte mich nur aus einem Gabentraum, dass sie sich, nachdem sie aus Bocksburg weggegangen waren, in einer Ortschaft namens Capelin niedergelassen hatten. Und ich hatte ein, nun ja, eine gefühlsmäßige Ahnung der Gegend, in der sie jetzt wohnten. Nur mit diesem Wenigen ausgerüstet, machten wir uns auf den Weg.
    Nach Jahren des Vagabundierens war es merkwürdig, ein Ziel zu haben und Eile. Ich stellte mich taub gegen die

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