Die Zweitfrau
zu leben. Hin und wieder etwas lustlos, aber ich tue mein Bestes.
Nach wie vor gehe ich mit Freunden aus, auch wenn ich mich hin und wieder zwingen muss. Ich gehe auch weiter in meine Kurse, sowohl zum Nähen, als auch in die Theatergruppe. Oft hilft mir das, wenn ich mal wieder völlig niedergeschlagen bin. Aber es gibt selbstverständlich auch Zeiten, da hilft gar nichts mehr. Ich bin deprimiert und leide einfach. Ziehe mich dann von allem zurück, bis ich wieder so viel Kraft habe, dass ich weitermachen kann.
Dann kommt, zum zweiten Mal während dieser Trennung, mein Geburtstag. Im vergangenen Jahr habe ich ein Fax von ihm erhalten in dem er mir gratuliert hat. Mit mehr rechne ich in diesem Jahr auch nicht. Am Abend zuvor habe ich Theater-AG gehabt und bin relativ spät nach Hause gekommen. Das macht nichts, denn an meinem Geburtstag arbeite ich nie. Ich komme sowieso nicht zum Arbeiten. Meine Kunden kennen mich ja mittlerweile seit Jahren und rufen an, um zu gratulieren. Am Tag nach meinem Geburtstag muss ich immer sehr lange meinen Anrufbeantworter abhören, um alle Glückwünsche entgegen zu nehmen und zu beantworten.
Es ist noch dunkel, als es bei mir läutet. Um Mitternacht hat meine Schwester mit Familie angerufen und anschließend konnte ich lange nicht mehr einschlafen. Deshalb bin ich völlig schlaftrunken, als es klingelt. Ich gehe an die Sprechanlage und frage nach, wer da ist und Peter antwortet:
„Hier ist jemand, der ein Geschenk dabei hat und eine Flasche Champagner, um anzustoßen.“ Ich drücke den Türöffner und eile ins Bad. Fruchtbar sehe ich aus, einfach nur furchtbar - finde ich. Und schon geht die Aufzugstür auf und Peter kommt strahlend auf mich zu. Er gratuliert mir. Er setzt sich aufs Sofa, ich mache die Kaffeemaschine an und verschwinde ins Bad. Als ich einigermaßen „menschlich“ aussehe, trinken wir zusammen Kaffee. Ich spreche mein Erstaunen darüber aus, dass er gekommen ist, damit habe ich tatsächlich nicht gerechnet.
Aber er meint nur: „Hör mal, du wirst nur einmal 50 Jahre. Wenn das kein Grund ist, herzukommen.“
Wo er Recht hat, hat er Recht. Dennoch, mir wäre es lieber gewesen, wenn ich es gewusst hätte. Ich fühle mich nicht so richtig wohl. Immerhin, die lange Zeit, in der wir uns nicht gesehen haben, hat einiges geändert in mir. Ich habe beschlossen, dass es mir lieber ist, einen guten, verlässlichen Freund zu behalten, als weiter darauf zu warten, dass Peter sich von seiner Frau trennt. Immer hat unsere Beziehung für mich gestrahlt. Hat einen ganz eigenen Glanz gehabt. Ich habe immer geglaubt, dass nichts das ändern kann. Aber durch all die Verletzungen, seine zögerliche Art, das Hin und Her, hat der Glanz nachgelassen. Es strahlt nicht mehr. Nicht, dass ich ihn nicht mehr liebe, das nicht. Aber ich habe in den vergangenen zwei Jahren angefangen, mich neu zu orientieren. Habe eine neue Planung für mein Leben. Will nicht mehr nur warten auf etwas, was vielleicht nie kommt. Ich habe tatsächlich losgelassen. Wenn es ihn glücklich macht, die Ehe zu erhalten, dann soll er das tun. Aber meinen Freund will ich nicht hergeben.
Als ich ihn frage, wie die Feiertage, Ostern liegt hinter uns, gewesen sind, verzieht er das Gesicht und sagt:
„Ich bin froh, dass alles vorüber ist.“
Diese Antwort finde ich seltsam. Zumal ihm Familienfeste immer so wichtig gewesen sind. Und nun diese Auskunft. Aber ich sage nichts dazu. Und auf meine Frage, ob er endlich wieder nach unten gezogen ist, antwortet er mit einem Kopfschütteln. Alles sehr seltsam für mich. Aber ich bin noch nicht so richtig fit im Kopf und deshalb nicht fähig etwas dazu zu sagen. Nach einer Stunde geht er wieder. Ich bedanke mich für sein Kommen, für sein Geschenk, für den Champagner. Wir werden telefonieren. Dann gehe ich wieder ins Bett.
Später am Tag, als ich richtig ausgeschlafen bin, kommt mir in den Sinn, dass ich nicht sehr höflich zu ihm gewesen bin. Und mir fällt ein, was er erzählt hat über die Feiertage. Das alles passt für mich nicht zusammen. Endlich ist es ja wieder so, wie er es sich immer vorgestellt, wie er es angestrebt hat und nun ist da nur dieses „ich bin froh, dass alles vorbei ist“.
Ich setze mich also an meinen PC und schreibe ihm eine Mail, in der ich mich für mein unhöfliches Benehmen entschuldige und ihm mitteile, dass ich mich selbstverständlich über seinen Besuch sehr gefreut habe. Und dann schreibe ich ihm, dass mir aufgefallen ist, dass er
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