Die Zwerge
fahrbare Schützung zu erhalten.
Als sie jedoch auf Schussweite heran waren, zeigte ihnen die Hauptstadt Lios Nudins die Krallen. Pfeilschwärme verdunkelten den Himmel, Geschosse sirrten durch die Luft und gingen auf die Truppen nieder.
Eilig kauerten sich die Infanteristen hinter die starken Bretter. Die Pfeile forderten nur geringe Opfer unter den Angreifern. Die eigenen Schützen erwiderten den Beschuss, und im Schutz der rollenden Wände ging es weiter vorwärts. Am Fuß der Mauern und vor dem Stadttor angelangt, wurden die Wände nach oben geklappt und mit Pfosten abgestützt, um den Männern an den Rammböcken als waagrechtes Dach gegen Steine und andere Geschosse von oben zu dienen; Sturmleitern wurden herangeschafft und angelegt.
Das war der Augenblick, in dem ihnen Nôd’onn eine erste Kostprobe seiner Macht gab.
*
Tilogorn saß ein Stück vom Kampfgeschehen entfernt auf seinem Pferd und beobachtete, wie sich die Fußtruppen an den Nordzugang heranpirschten. Die Gegenwehr auf ihrer Seite war schlicht zu vernachlässigen, man hatte Porista erfolgreich Glauben gemacht, dass der Hauptansturm aus der anderen Richtung erfolgte. Bis sich der zweite Angriff zu den Verteidigern im Süden herumspräche, wären die Portale längst geöffnet.
»Es wird nicht mehr lange dauern«, gab er eine leise Vorhersage ab, »dann liegt es in unserer Hand.« Mit einem Heer gegen Magie. Die Vorstellung behagte ihm nicht. Aber welchen Ausweg haben wir?
Er hatte sich selbst dazu bestimmt, die fünftausend Streiter umfassende Reiterei durch die Gassen der Stadt zu lenken und den Palast des Zauberers anzugreifen und im Handstreich zu erobern. Schnelligkeit und Überraschung zählten, wenn man lebend gegen diesen Magus vom Feld ziehen wollte.
Zwei einzelne Reiter näherten sich über Umwegen ihrem Standort, reckten die Fahnen und gaben das verabredete Signal.
»Möge uns Palandiell beistehen.« Tilogorn prüfte den Sitz seiner Waffen und probierte, ob er an Dolch und Kurzschwert schnell genug herankommen konnte; dann wies er die Fanfarenträger an, zum Angriff gegen das Tor zu blasen. Wie ein Ameisenheer stürmte die erste Welle aus achttausend Mann gegen den Zugang an, die Strategie war die gleiche, wie sie Lothaire keine zwei Meilen von ihnen entfernt einsetzte.
Den Angreifern schlug nur wenig Widerstand entgegen. Vereinzelt kamen die Pfeile hinter den Zinnen hervorgeschossen, und so hatten sie kaum Opfer zu beklagen.
In Windeseile lagen die Leitern an den Mauern. Kurz darauf standen die ersten Krieger auf den Wällen und befanden sich im Nahkampf mit der Hand voll Tapferer, die zur Verteidigung des nördlichen Zugangs abgestellt worden waren.
Er schaute zur Mauerkrone, auf der soeben die Flagge Idoslâns emporgezogen wurde, und setzte den Helm auf. Kraftvoll klappte er das Visier herab. »Für das Geborgene Land!«, rief er und preschte zusammen mit den fünftausend Berittenen auf das sich öffnende Stadttor zu.
*
Der oberste Stein der Zinne löste sich wie von selbst aus dem Mörtelbett und schoss wie von einem Katapult abgefeuert auf die Angreifer nieder. Der Quader mit der Kantenlänge eines Unterarms traf den Brustkorb eines Soldaten und quetschte ihn zusammen, als wäre er nachgiebig wie ein Bienennest.
Das stellte den Auftakt zu einem grausamen Hagel dar, wie ihn keiner der Kämpfer jemals erlebt hatte und die meisten von ihnen nie mehr erleben würden.
Die Stadtmauer Poristas löste sich Stein für Stein auf. Von oben nach unten schnellten die Quader von ihren Plätzen und krachten mit solcher Wucht in die Reihen der Angreifer, dass sämtliche Schutzvorrichtungen versagten. Die rollenden Wände wurden durchschlagen, umgeworfen oder vollkommen zertrümmert, während die Truppen dahinter im Splitterregen standen und schreckliche Verletzungen erlitten.
Jeder der Steine traf sein Ziel. Das Geräusch der dumpfen Einschläge, das Krachen der Knochen und Scheppern der Rüstungen wollte nicht mehr enden; aus den Schreckensrufen wurden Hilfeschreie und Todesgebrüll. Die wenigen Sturmleitern, die noch standen, kippten, weil es nichts mehr zum Anlehnen gab.
»Zurück!«, befahl Lothaire und wendete sein Pferd. Da traf ein Quader den Kopf des Hengstes, der augenblicklich zusammenbrach und zuckend verendete.
Der Prinz stürzte schwer zu Boden und brauchte lange Zeit, bis er sich unter dem Leib des Tieres hervorgeschoben hatte. Sein Bein fühlte sich gebrochen an, an ein Auftreten war nicht zu denken.
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