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Die Zwischenwelt (German Edition)

Die Zwischenwelt (German Edition)

Titel: Die Zwischenwelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Filomena Nina Ribi
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gewisse Weisheit aus. Die Ruhe, die er um sich herum verbreitete, war Fiona völlig neu; sie sah diese Eigenschaft ihres Vaters zum ersten Mal. Es war auch das erste Mal, dass er sie in dieser Art an den Händen hielt – sonst hatte er sie kaum je körperlich berührt und war ja auch allgemein extrem kontaktscheu gewesen. Ihre Hände von seinen gehalten – das fühlte sich gut an! Fiona wollte die Stille brechen und sich entschuldigen; sagen, dass es ihr leid tue, dass sie weggegangen war, aber sie sagte nichts.
    Er fügte noch hinzu: „Mach dir keine Sorgen, es ist alles gut. Ich habe dich gern und ich wünsche dir alles Gute.“
    Man sah ihm an, dass er das ehrlich meinte – er war nicht nachtragend. Nicht mehr.
    „Ich habe dich auch gern“, sagte Fiona.
    Er lächelte und drehte sich dann von Fiona weg, um in Richtung Meer zu schauen.
    Mona ging zu Fiona. „Weißt du“, flüsterte sie Fiona ins Ohr, „ich bin deine Großmutter. Oder genauer gesagt eure Großmutter. Hättest du deinen Vater niemals gekannt, dann wärst du wie Laura geworden. Du und Laura, ihr seid nämlich eins.“ Dann machte Mona sich mit ihrem Sohn Ernst auf den Weg zum Wasser.
    Fiona war ruhig, so ruhig wie noch nie. Sie schaute den beiden zu, ohne irgendeine Form von Traurigkeit zu empfinden. In der Zwischenwelt fühlte sich alles ganz normal an. Obwohl es sich hier um einen Abschied handelte, fühlte sich Fiona nicht traurig, denn es war richtig so: Alles, was passierte, war richtig – es war ihr Schicksal.
    Die Farben der Landschaft waren beeindruckend. Der Sand schien gelber geworden zu sein: Wo er vorher eher weißlich geglänzt hatte, war er jetzt dunkler, matter und grell gelb. Die starke gelbe Farbe des Strandes im Kontrast zum türkisblauen Meer und dem pechschwarzen Himmel war wunderschön. Inzwischen war die Zwischenwelt praktisch leer, nur noch wenige Personen standen in kleinen Gruppen zusammen. Manche badeten. Die Wellen im türkisblauen klaren Meer waren klein, fast nicht vorhanden. Mona und Ernst waren beim Wasser angekommen und wechselten ein paar Worte miteinander. Es schien, als ob sie sich über das weitere Vorgehen berieten. Dann begaben sie sich bis zur Hüfte ins Wasser. Ein Schwarm der leuchtenden farbigen Wesen näherte sich ihnen im Wasser. Mona und Ernst standen inmitten einer Wolke von biolumineszierenden Organismen. Sie drehten sich beide zu Fiona um, lächelten und tauchten unter. Es sah so aus, als ob sie sich fallen gelassen hätten und an der Stelle, wo sie gestanden hatten  entstand eine große glitzernde Wolke, die teilweise blau, teilweise rot leuchtete.
    Als Fiona im Zug aufwachte, war sie verblüfft. Als erstes dachte sie: „Wow, was für ein Traum!“, aber dann wurde sie rasch von ihren Gefühlen überwältigt. Sie hatte ihren Vater getroffen und das war anscheinend der endgültige Abschied gewesen – jetzt war er weg, definitiv, das war ihr klar. Zur Ruhe und dem Glück, die sie in der Zwischenwelt empfunden hatte, mischte sich nun doch auch ein wenig Trauer. Sie wusste, sie würde ihn für eine lange Zeit nicht mehr sehen und das tat weh. Dennoch war ihr klar, dass diese Erfahrung von zentraler Wichtigkeit für ihre Weiterentwicklung war.

Das Zelt auf dem Gunung Agung
    D ie Organisation. Es ist lange her, aber ich erinnere mich immer noch gut daran. Wie könnte man auch eine ganze Nacht vergessen, die man auf einem Lavastein sitzend gefroren hat? Im Prospekt hatte damals gestanden, dass es für die Übernachtung auf dem Vulkan Gunung Agung eine Hütte unterhalb des Kraters gäbe. Nachdem wir mit Bergführer und Träger Stunden hinaufgestiegen waren und die Sonne am Horizont verschwunden war, wurde uns aber bewusst, dass es weit und breit nur Lava und Steine gab. Es wurde eine lange schlaflose Nacht, nur das Herz war warm.
    Aber warum befand ich mich auf dem Vulkan, obwohl ich Berge nicht besonders mag? Einige Monate nach meiner Niederlassung in Sidemen auf Bali hatte ich nach langer Überlegung entschlossen, mich von Christophs Urne zu trennen. Morgens hatte es oft geregnet und von der bedeckten Terrasse meiner Hütte, die sich hoch gelegen am Hang inmitten des Dschungels befand, hatte ich dem täglichen Spektakel der Aussicht oft zugeschaut und dabei nachgedacht. Ich sah die Hügel und Täler mit den Reisfeldern im Nebel verschwinden und später in der Sonne wieder erscheinen. Die Panoramasicht war atemberaubend, aber von dem Vulkan Gunung Agung, dem höchsten Berg Balis, hätte man sicher

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