Die Zwischenwelt (German Edition)
erledigen, bevor er auch hierher kommen kann. Aber jetzt ist die kleine Fiona hier, sie möchte dir unbedingt etwas sagen.“ Mona wandte sich an die Kleine „Siehst du? Sie ist gekommen und sie ist bereit, dir zuzuhören.“ Dann schaute sie wieder die große Fiona an. „Es ist mir sehr wichtig, dass ihr beiden euch wieder vertragt. Schließlich bin ich an dem Streit zwischen euch auch mitschuldig. Fiona, frag die Kleine, was sie dir sagen möchte!“
„Na gut, also: Was willst du?“, fragte Fiona ungeduldig.
„Nein, so nicht“, meinte Mona in ruhigem Tonfall. „Würdest du denn antworten, wenn jemand dich so befragen würde? – Noch mal, aber diesmal liebevoll bitte!“
Fiona räusperte sich. „Also, liebe kleine Fiona, was möchtest du mir denn sagen?“.
Die Kleine antwortete prompt mit einer piepsenden Stimme: „Ich bin Mutter ständig im Weg gewesen und jetzt bin ich dir auch immer im Weg.“
„Mmm … deswegen willst du mich sprechen?“, fragte die große Fiona ganz kühl und rational.
Mona schritt ein. „Komm jetzt, Fiona! Siehst du nicht, dass du genau das gleiche machst, was deine Mutter mit dir gemacht hat? Magst du dich erinnern, wie du dich fühltest? Deine Mutter Martina hatte sich eigentlich scheiden lassen wollen, aber dann war sie mit dir schwanger geworden und ist deshalb mit Ernst zusammengeblieben. Sie hat dir das einmal vorgeworfen, als ihr einen Streit hattet, da warst du in der Pubertät.“
„Klar kann ich mich daran erinnern“, rief Fiona. „Mutter sagte, es sei meine Schuld gewesen, dass sie immer noch mit Ernst zusammen sei.“
„Ja und deswegen hattest du das Gefühl, du hättest sie in ihrer Lebensplanung gestört. Und du wärst ihr im Weg …“
„Stimmt.“
Die kleine Fiona starrte die große an und schien auf eine Reaktion zu warten.
„Tut mir leid, kleine Fiona, ich will es nicht wie unsere Mutter machen. Entschuldigung.“
Die Kleine registrierte die Antwort. Dann fuhr sie fort mit dem, was sie schon vorher hatte sagen wollen: „Ich bin eine Versagerin! Mutter war traurig und weinte viel. Ich habe versucht, sie zu trösten, aber sie weinte trotzdem. Es lag an mir: Ich habe es nicht geschafft, sie glücklich zu machen und deswegen bin ich eine Versagerin. Für immer.“
Fiona konnte zuerst gar nicht darauf antworten, so schockiert war sie: Sie hatte sich selbst lebenslang als Versagerin bezeichnet.
„Mein Gott“, sagte Fiona dann mitfühlend. „Nein, du Kleine, es lag sicherlich nicht an dir. Mutter war traurig, weil unser Vater fremdging, weil er eine andere Frau liebte.“ Fiona beugte sich herab und fasste beide Hände der fünfjährigen Fiona. „Du hast alles gemacht, was du konntest, aber unsere Mutter hatte die Verantwortung für ihr Wohl selbst – sie selbst, nicht du. Du konntest nichts dafür, dass sie ständig traurig war, es lag nicht an dir!“
Die kleine Fiona antwortete schluchzend: „Aber Mutter war traurig und wenn ich sie umarmt habe, war sie nachher immer noch traurig. Sie weinte andauernd, ich war einfach nicht gut genug.“
Fiona wusste nicht mehr, was sie noch sagen könnte. So schaute sie nur noch in die Augen der Fünfjährigen und fühlte mit. Dann griff zum Glück Mona ein:
„Eure Mutter Martina war auch krank, ihr konntet nichts dafür.“
Fiona konnte nichts anderes denken als „Herrgott, was für eine Familie von Losern! Gibt es denn niemanden hier, der normal und gesund ist? War denn mein ganzer Stammbaum krank? Das überträgt sich ja über Generationen!“
Mona fuhr fort: „Martina ließ es zu, dass euer Vater Ernst sie verletzte und Ernst konnte auch nicht anders, denn er war von seiner Mutter furchtbar verletzt worden. Sie hatte ihn verlassen, als er noch ein Kind war und so wuchs er alleine mit seinem Vater auf, der ihn ständig schlug. Ernst hat nie wirklich gelernt, was es bedeutet, sich selbst zu lieben und auch die anderen zu lieben. Aber das entschuldigt natürlich nicht sein Verhalten euch gegenüber. Ich kann euch nur eines raten: Nehmt es nicht persönlich, ihr hattet an den Problemen eurer Eltern keinerlei Schuld.“
Die kleine Fünfjährige fiel Fiona in die Arme, sie suchte Geborgenheit. Fiona fühlte sich zuerst ein wenig unwohl, aber dann erwiderte sie die Umarmung.
Der Schnee begann zu schmelzen und gleichzeitig verschwand auch die Kleine. Fiona stand mit Mona und Tilde da und schaute zu, wie sich das Klima veränderte: Das Schneewasser floss in Strömen ins Meer, das nun heller wurde und
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