Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
Vom Netzwerk:
und seht ihr diese Fahnen?«, fragte Cruk und deutete über das Feld. Die orangegelben Fahnen, die so herunterhingen? » Wer kann mir sagen, was sie bedeuten?«
    Ein halbes Dutzend Hände hob sich. Cruk ließ die Augen über die Gruppe schweifen und blieb an Dash Martínez hängen. Er war sieben Jahre alt und bestand nur aus Knien, Ellenbogen und einem dunklen Wuschelkopf. Cruks messerscharfer Blick erfasste ihn wie ein Scheinwerfer, und er erstarrte. Er saß zwischen Merry Dodd und Reese Cuomo, und die beiden drückten die Hände auf den Mund, um nicht zu lachen.
    » Da sind die Hardboxen?«, vermutete der Junge.
    » Ganz recht«, Cruk nickte. » Da sind die Hardboxen, die Schutzräume. Und jetzt sagt mir«, fuhr er fort und wandte sich wieder an alle, » wenn die Sirene losgeht, was tut ihr dann?«
    Rennen!, sagte jemand und dann noch jemand und noch jemand. Rennen!
    » Wohin rennen?«, fragte Cruk.
    Jetzt antwortete ein ganzer Chor. Zu den Hardboxen!
    Er entspannte sich und lächelte. » Gut. Und jetzt viel Spaß.«
    Sie flitzten davon, alle bis auf die Teenager, die noch ein Weilchen unter dem Sonnensegel herumtrödelten und sich von den kleinen Kindern absetzen wollten. Aber Vorhees wusste, auch sie würden den Weg in die Sonne finden. Spielkarten kamen zum Vorschein und Wollknäuel zum Stricken. Nicht lange, und die Frauen waren alle beschäftigt. Sie behielten die Kinder vom Schatten aus im Auge und fächelten sich in der Hitze die Gesichter. Vorhees rief die Männer zusammen und ließ Salztabletten verteilen; auch wenn man ständig trank, konnte der Körper bei der Hitze und Anstrengung in lebensbedrohlichem Maße dehydrieren. Sie füllten ihre Flaschen an der Pumpe. Ihnen ihre Aufgabe zu erklären war nicht nötig; das Entfahnen der Maispflanzen war eine mühsame, wenngleich einfache Arbeit, die sie alle schon oft getan hatten. Auf jeweils drei Reihen Mais kam eine vierte, die mit einer anderen Sorte bepflanzt war. Diese Reihe würde von den männlichen Rispen befreit werden, um Selbstbestäubung zu verhindern. Bei der nächsten Ernte würde sie eine neue, kräftigere Kreuzung hervorbringen, die im folgenden Jahr als Saatgut benutzt werden könnte. Als Vorhees’ Vater ihm diesen Prozess vor Jahren erklärt hatte, war er ihm erregend, ja, irgendwie sogar erotisch vorgekommen. Was sie da taten, war schließlich ein Bestandteil der Fortpflanzung, auch wenn es nur um Mais ging. Aber die körperliche Beschwerlichkeit dieser Arbeit hatte ihm solche Gedanken rasch ausgetrieben– man stand stundenlang in der glühenden Sonne, unaufhörlich rieselten Pollen auf Hände und Gesicht, und Insekten summten einem um den Kopf und suchten den Weg in Ohren, Nase und Mund. Gleich in Vorhees’ erster Woche auf dem Feld war ein Mann mit einem Hitzschlag zusammengebrochen. Er wusste nicht mehr, wer es gewesen oder was aus ihm geworden war; sie hatten ihn in den nächsten Transport gepackt und weitergearbeitet. Es war durchaus möglich, dass der Mann gestorben war.
    Schwere Segeltuchhandschuhe, breitkrempige Hüte und langärmelige Hemden mit zugeknöpften Manschetten– als die Männer bereit waren loszugehen, waren sie schon nass geschwitzt. Vorhees spähte zum Wachtturm hinauf, wo Tifty in Stellung gegangen war und die Baumkulisse mit seinem Zielfernrohr absuchte. Cruk hatte recht; Tifty war der richtige Mann dort oben. Was immer man sonst über Tifty Lamont sagen konnte, seine Fähigkeiten als Scharfschütze waren unbestreitbar. Aber noch nach so vielen Jahren brauchte er nur den Namen des Mannes zu hören, um wieder wütend zu werden. Die Zeit hatte seinen Zorn allenfalls noch schlimmer gemacht; jedes Jahr, das verging, war ein Jahr, das Boz nicht erleben durfte. Warum hatte Tifty zum Mann heranwachsen dürfen und Boz nicht? In etwas nachdenklicheren Augenblicken war Vorhees klar, dass solche Empfindungen irrational waren. Tifty mochte an jenem schicksalhaften Abend der Anstifter gewesen sein, aber jeder von ihnen hätte Nein sagen können, und Boz wäre noch am Leben. Trotzdem konnten sie alle reden, was sie wollten: Es würde nichts an seiner Überzeugung ändern, dass Tifty die Hauptschuld am Tod seines Bruders trug.
    Er teilte die Arbeiter in drei Teams auf; jedes war für vier Reihen verantwortlich. Sie gingen hinüber zum Sonnensegel, um sich zu verabschieden. Auf dem Rasen war ein Ballspiel im Gange, und auf der anderen Seite hörte man das Klingen vom Hufeisenwerfen. Dee ruhte sich mit Sally und Lucy Martínez im

Weitere Kostenlose Bücher