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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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Schatten aus; sie spielten eine Partie Hearts. Ihre Spiele hatten epische Ausmaße und konnten manchmal tagelang dauern. Der Tisch war schon zum Lunch gedeckt: Porzellanteller mit spinnwebförmigen Rissen, Steinguttassen und sogar ein Tischtuch.
    » Wie es aussieht, sind wir abmarschbereit.«
    Sie legte die Karten hin und hob den Kopf. » Na, dann komm her.«
    Er nahm den Hut ab und beugte sich hinunter, um einen Kuss von ihr in Empfang zu nehmen.
    » Gott, du stinkst jetzt schon!« Sie lachte und zog die Nase kraus. » Das war dein Letzter für heute, fürchte ich.« Dann fügte sie hinzu: » Sollte ich dir sagen, du sollst vorsichtig sein?«
    Das sagten sie immer. » Wenn du willst.«
    » Na gut. Sei vorsichtig.«
    Nit und Siri waren unter das Zeltdach spaziert. Gras hing in ihren Haaren und in der Wolle ihrer Pullover wie bei kleinen Hunden, die sich am Boden gewälzt hatten.
    » Umarmt euren Vater, Mädels.«
    Vorhees sank auf die Knie und nahm die beiden wie ein warmes Bündel in die Arme. » Seid brav bei Mommy, ja? Ich bin zum Lunch wieder da.«
    » Wir sind Partner«, verkündete Siri.
    Er strich ihnen das Gras aus den schweißfeuchten Haaren. Manchmal durchströmte ihn schon beim Anblick der beiden eine Woge der Liebe, die ihm tatsächlich die Tränen in die Augen trieb. » Natürlich seid ihr das. Vergesst nur nicht, was euer Onkel Cruk euch gesagt hat. Bleibt da, wo Mommy euch sehen kann.«
    » Carson sagt, da sind Monster im Feld«, sagte Siri. » Monster, die Blut trinken.«
    Vorhees schaute kurz zu Dee hinüber, und sie zuckte die Achseln. Es war nicht das erste Mal, dass dieses Thema angesprochen wurde.
    » Na, das stimmt aber nicht«, sagte er. » Er will euch Angst einjagen und macht sich einen Spaß mit euch.«
    » Warum dürfen wir dann nicht ins Feld hineingehen?«
    » Weil das die Regel ist.«
    » Ehrlich?«
    Er lächelte, so gut er konnte. Vorhees und Dee hatten sich darauf geeinigt, die Sache im Unbestimmten zu halten, solange es ging, aber beiden war klar, dass sie irgendwann einmal die Katze aus dem Sack lassen mussten.
    » Ehrlich.«
    Er umarmte sie noch einmal, erst einzeln und dann zusammen, und ging dann zu seinem Team am Rand des Feldes. Eine grüne Wand, fast zwei Meter hoch: Die Reihen der Maispflanzen, eine Serie von langen Korridoren, erstreckten sich bis zur Windschutzhecke. Die Sonne hatte die unsichtbare Grenze zum Mittag überschritten. Niemand sprach. Vorhees sah ein letztes Mal auf die Uhr. Behalten Sie die Uhrzeit im Auge. Merken Sie sich den Standort der nächsten Hardbox. Suchen Sie im Zweifel sofort Zuflucht.
    » Okay, Leute«, sagte er und zog seine Handschuhe an, » packen wir’s an.«
    Und damit rückten sie zusammen ins Feld ein.
    In gewissem Sinne waren sie alle wegen einer einzelnen Nacht geworden, was sie waren. Es war die letzte Nacht ihrer Kindheit gewesen. Cruk, Vorhees, Boz, Dee– sie liefen stets im Rudel zusammen herum, in ihren täglichen Runden nur begrenzt von den Mauern der Stadt und den wachsamen Augen der Schwestern, die die Schule, und der Sicherheitsleute, die alles andere leiteten. Eine Zeit des Tratsches, der Gerüchte, der Geschichten, ausgetauscht im Staub. Mit schmutzigen Gesichtern und schmutzigen Händen trödelten die vier auf dem Heimweg von der Schule in dem Hof hinter ihrem Quartier herum. Wie sah die Welt außerhalb der Mauern aus? Wo war sie, und wann würden sie sie zu sehen bekommen? Wohin gingen ihre Väter– und manchmal auch ihre Mütter–, wenn sie von der Arbeit zurückkamen und nach Pflicht und geheimnisvollen Sorgen rochen? Nach draußen, ja, aber inwiefern war es da anders als in der Stadt? Wie fühlte es sich an, wie schmeckte, wie klang es? Warum kam es von Zeit zu Zeit vor, dass ein Vater oder eine Mutter hinausfuhr und nie mehr zurückkam, als hätte das unsichtbare Reich jenseits der Mauern die Macht, sie mit Haut und Haaren zu verschlingen? Dopeys, Dracs, Vampire, Jumps: Sie kannten die Namen, fühlten aber ihre Bedeutung nicht mit ihrem ganzen Gewicht. Da waren die Dracs, und das waren die Bösartigsten, und sie waren das Gleiche wie die Jumps oder die Vampire (ein Wort, das nur noch die alten Leute benutzten). Und dann gab es die Dopeys, die so ähnlich waren, aber nicht genauso. Gefährlich, ja, aber nicht so sehr– eher lästig wie Skorpione oder Schlangen. Manche meinten, die Dopeys seien Dracs, die zu lange gelebt hätten, und andere sagten, sie seien Biester von einer ganz anderen Sorte, und sie seien überhaupt

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