Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
Vom Netzwerk:
Felder; sie waren nass und morastig, und die Luft war schwer vom Duft der Erde. Dann, als sie aus dem Tal herauffuhren, ragten die Mauern der Stadt vor ihnen auf, acht Stockwerke hoch vor den braunen texanischen Hügeln. Vor dem Tor gerieten sie in einen langen Verkehrsstau– Transporte, schwere Arbeitsmaschinen, DS -Pick-ups, auf deren Ladefläche sich Männer in ihren dick wattierten Anzügen drängten. Peter stieg aus, bat den Fahrer, seine Kiste in der Unterkunft abzustellen, und zeigte dem Wachmann am Fußgängertunnel seine Papiere. Der Mann winkte ihn durch.
    » Willkommen zu Hause, Sir.«
    Nach siebzehn Monaten in den Außenterritorien war die gewaltige, überwältigende Menschenfülle ein Angriff auf alle seine Sinne. Er hatte wenig Zeit in der Stadt verbracht, nicht genug, um sich an die beklemmende Dichte von Geräuschen und Gerüchen und Gesichtern anzupassen. In der Kolonie hatte es nie mehr als hundert Seelen gegeben, und hier lebten mehr als vierzigtausend.
    Peter machte sich auf den Weg zum Quartiermeister, um seinen Sold abzuholen. An den Begriff des Geldes hatte er sich auch nie recht gewöhnen können; der gerechte » Anteil«, die maßgebliche ökonomische Einheit in der Kolonie, hatte ihm eher eingeleuchtet. Man hatte seinen Anteil, und den verwandte man, wie man wollte, aber es war für alle der gleiche, niemals mehr und niemals weniger. Wie konnten diese bedruckten Zettel– » Austins« nannte man sie, nach dem Mann, dessen Bildnis mit der hohen, kuppelförmigen Stirn, der Hakennase und der verwirrenden Kleidung jeden Geldschein zierte–, wie konnten sie irgendeine Beziehung zum Wert der Arbeit eines Menschen haben?
    Der Mann am Schalter, ein Zivilist, nahm die Scheine aus dem Panzerschrank, klatschte sie nacheinander auf die Theke und schob ihm ein Clipboard durch das Gitter herüber– alles, ohne ihm in die Augen zu sehen.
    » Hier unterschreiben.«
    Das Geld, ein dicker Packen, fühlte sich seltsam in seiner Tasche an. Als er in den aufklarenden Nachmittag hinaustrat, überlegte er schon, wie er es loswerden könnte. Bis zur Sperrstunde blieben ihm noch sechs Stunden– gerade genug Zeit für einen Besuch im Waisenhaus und im Gefängnis, bevor er sich in der Unterkunft melden musste. Er hatte nur diesen Nachmittag; der Transport zur Raffinerie ging um 06.00 ab.
    Greer würde er zuerst besuchen. So würde er Caleb nicht enttäuschen, weil er schon vor der Sirene ging. Der Knast befand sich im alten Gefängnisgebäude am Westrand der Innenstadt. Am Eingang leistete er seine Unterschrift– auch so eine Absonderlichkeit: In Kerrville musste man dauernd etwas unterschreiben–, legte Messer und Pistole ab und wollte gerade weitergehen, als der Posten ihn aufhielt.
    » Ich muss Sie abtasten, Lieutenant.«
    Als Angehöriger des Expeditionsbataillons war Peter daran gewöhnt, dass ihm automatisch ein gewisser Respekt entgegengebracht wurde– ganz sicher von einem untergeordneten DS -Mann, der höchstens zwanzig Jahre alt war. » Ist das wirklich nötig?«
    » Tut mir leid. Ich habe die Vorschriften nicht gemacht, Sir.«
    Das war ärgerlich, aber Peter hatte keine Zeit für Diskussionen. » Dann machen Sie schnell.«
    Der Posten strich mit den Händen an Peters Armen und Beinen auf und ab, holte dann einen dicken Schlüsselbund unter dem Schreibtisch hervor und führte ihn nach hinten in den Zellentrakt, einen langen Flur mit schweren Stahltüren, in die kleine Fenster aus verstärktem Glas eingelassen waren. Es war stickig und roch nach Männern. Sie kamen zu der Zelle mit der Nummer 62.
    » Komisch«, bemerkte der Wachmann und durchsuchte seinen Schlüsselbund, » Greer hat seit fast drei Jahren niemanden mehr gesehen, und jetzt kriegt er innerhalb eines Monats zum zweiten Mal Besuch.«
    » Wer war denn noch hier?«
    » Ich hatte keinen Dienst. Da müssen Sie ihn selbst fragen.«
    Der Wärter hatte den richtigen Schlüssel gefunden und schob ihn ins Schloss. Die Tür öffnete sich mit ächzenden Angeln. Greer saß auf der Kante seiner Pritsche. Er war barfuß und trug nur eine grobe Leinenhose, die um die Taille zusammengeschnürt war. Seine breite Brust glänzte von Schweiß, und seine gefalteten Hände lagen entspannt auf dem Schoß. Sein silbrig weißes Haar war über der Stirn zurückgekämmt und breitete sich fächerförmig auf seinen massigen Schultern aus, und ein mächtiger, zerzauster Bart– der Bart eines Propheten, eines Wanderers in der Wildnis– wucherte halb über seine Wangen

Weitere Kostenlose Bücher