Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)
andere Sache. Peters Ankunft hatte die ganze Abneigung geweckt, die Greer vorausgesehen hatte. Der Mann sprach kaum ein Wort mit ihm. Schön, dachte Peter, dann soll er eb en s chmoren. Ist ja nicht so, als ob ich mir diesen Job ausgesucht hätte.
Am interessantesten war die Zeit, die er mit Lore verbrachte. Ihre Gier nach Informationen über die Kolonie und speziell über Michael war so maßlos wie alles andere an ihr. Zwischen ihren Schichten kam sie zum Marketender und suchte ihn dort, und sie setzte sich mit ihm an einen freien Tisch, wo sie unbelauscht von andern miteinander reden konnten. Ganz gleich, was Michael ihm erzählt hatte, es war offensichtlich, dass sie eine ernsthafte Zuneigung zu ihm verspürte. Ihre Fragen waren fast bohrend, als wäre Michael ein Schloss, das sie nicht öffnen konnte. Wie war er damals gewesen? Clever, ja, das war offensichtlich für jeden, der ihn kannte, aber wie noch? Was konnte Peter ihr über Sara erzählen? Und über die Eltern, was war deren Geschichte? Über ihre Reise aus Kalifornien kannte sie nur die offizielle Version: Als die Stromversorgung der Kolonie zu versagen drohte, hatten sie sich auf der Suche nach anderen Überlebenden auf den Weg nach Osten gemacht und waren ganz zufällig über die Garnison in Colorado gestolpert. Von Amy und von dem, was auf dem Berg in Telluride passiert war, wusste sie nichts, und Peter ließ es auch dabei.
Eine besonders überraschende Wendung nahm ihr Gespräch, als Lore ihn plötzlich auf Alicia ansprach. Offenbar hatte Michael viel von ihr erzählt. Lores Fragen enthielten einen Unterton von Rivalität, ja Eifersucht, und rückblickend hatte Peter den Eindruck, dass es von Anfang an darum gegangen war, ihn über Alicia auszufragen. Er versicherte ihr, sie habe keinen Grund zur Besorgnis. Michael und Alicia seien wie Öl und Wasser. Zwei unterschiedlichere Menschen werde sie in ihrem ganzen Leben nicht finden. Lore antwortete mit einem selbstbewussten Lachen. Wie er auf den Gedanken komme, sie sei besorgt? Irgendeine verrückte Frau in der Exped, irgendwo weit weg? Glaub mir, sagte sie und wedelte diese Vorstellung beiseite, das ist wirklich meine allerletzte Sorge.
Peter verbrachte seinen letzten Tag in Besprechungen mit Karlovic und Stark. Es ging um die Einzelheiten der Fahrt. Zehn Tanklaster mit Treibstoff– jeweils zur Hälfte Diesel und hochoktaniges Benzin– standen schon am Tor, und vor morgen früh würden noch zwei dazukommen. Der Konvoi würde von sechs Sicherheitsfahrzeugen begleitet werden, von Humvees und Offroadern mit .50er Maschinengewehren auf den Ladeflächen. Die Entfernung betrug dreihundert Meilen: von Freeport aus Richtung Norden auf der Route 36, westwärts auf dem Highway10 nach Sealy, geradewegs durch die Vororte von San Antonio, wo sie die Stadt auf mehreren Landstraßen umgehen würden, und wieder zurück auf der I-10, wo sie die letzten fünfzig Meilen zurücklegen würden. Hardboxen standen in regelmäßigen Abständen an der Strecke, aber üblicherweise fuhr man durch, ohne anzuhalten. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von zwanzig Meilen pro Stunde würden sie kurz nach Mitternacht in Kerrville eintreffen.
Peters Aufmerksamkeit wurde auf die drei Engpässe an der Strecke gelenkt: eine Brücke über den Brazos River, südlich von Brookshire, eine zweite in Luling, wo sie den San Marcos überqueren würden, und eine dritte am Westrand von Seguin, die sich über den Unterlauf des Guadalupe spannte. Die ersten beiden waren wenig besorgniserregend– der Konvoi würde sie am helllichten Tag überqueren–, aber Seguin würden sie erst nach Sonnenuntergang erreichen. Man wusste, dass Virals dort am Fluss entlangjagten, und es war bekannt, dass das Geräusch von Dieselmotoren sie anzog. Noch schlimmer wurde alles durch den schlechten Zustand der Brücke, der nicht zuließ, dass mehr als ein Truck auf einmal hinüberfuhr. Fackeln zur Beleuchtung der Umgebung würden ein gewisses Maß an Schutz bieten, doch der Konvoi würde eine Zeitlang in zwei Teile zerbrochen sein.
In der Dunkelheit vor dem Morgengrauen versammelten sich alle bei den Tanklastern. Die Luft war feucht und kalt. Für fast alle war dieser Trip ein alter Hut. Sie waren daran gewöhnt, vielleicht sogar ein bisschen gelangweilt. Becher mit Zichorienkaffee wurden herumgereicht. Als leitende Ölhand würde Michael zusammen mit Peter im vorderen Humvee fahren. Ceps steuerte den ersten LKW , Lore den zweiten. Peter hatte Stark an der
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