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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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Vater sie geneckt. Er hatte ihr Haar trockengerieben und sie in die weiche Wärme eines frisch gewaschenen Badetuchs gehüllt. Du bist die Schönste im ganzen Land. Die Erinnerung floss wie Wasser durch ihren Körper. Sie war ein Kind, dann ein Teenager in ihrem blauen Taftkleid mit einem dicken Strauß an der Schulter– ein Schulball? Jedes Bild ging fließend in das nächste über, bis sie schließlich eine Frau von reifer, jugendlicher Kraft sah, die im Hochzeitskleid ihrer Mutter vor dem Spiegel stand. Das Mieder aus zarter Spitze, der fließende Rock aus schimmernder, weißer Seide: Ihr Leben mit all seinen Verheißungen war in diesem Bild eingefangen. Heute ist der Tag, an dem ich Brad heiraten werde. Ihre Hand sank auf ihren Bauch; das Hochzeitskleid war verschwunden, und an seiner Stelle fühlte sie das hauchfeine Nachthemd. Die Morgensonne flutete durch das Fenster herein. Lila drehte sich ins Profil und umfasste die üppige Rundung ihres Bauches. Du bist Eva. Ich werde dich Eva nennen. Dampf stieg auf. Die Wanne war fast voll.
    Brad, Eva, ich komme. Ich war schon viel zu lange weg. Ich komme, um bei euch zu sein.
    Drei blaue Linien zeichneten sich an jedem Handgelenk ab. Die Kopfvene, die sich durch die Margo Radialis des Unterarms aufwärtsschlängelte, die Vena Basilica, die im Dorsalvenennetz begann und auf der posterioren Seite zur Vena Mediana Cubiti hinaufführte, und schließlich die akzessorische Kopfvene, die aus dem tributären Venenplexus kam und an der Ellenbogenrückseite in die Kopfvene mündete. Sie brauchte etwas Scharfes. Wo war die Schere? Mit der Dani und all die anderen, die vorher gekommen waren, ihr die Haare geschnitten hatten? Sie suchte in einer Schublade, dann in der nächsten, und als sie unten angekommen war, wartete die Schere, glänzend vor Schärfe.
    Aber was war das?
    Ein Ei. Ein Osterei aus Plastik, eins von der Sorte, die sie als kleines Mädchen im Gras gesucht hatte. Wie hatte sie dieses Ritual geliebt: den wilden Lauf hinaus auf die Wiese mit dem schaukelnden Körbchen an der Hand, den Tau an ihren Füßen, das langsame Wachsen ihres Schatzes, während sie sich den großen weißen Hasen vorstellte, der diese Köstlichkeiten bei seinem nächtlichen Besuch hinterlassen hatte. Lila nahm das Ei in die Hand, und als sie es schüttelte, spürte sie, wie sich etwas darin sacht bewegte. Konnte es sein…? War es möglich…? Aber was sollte es sonst sein?
    Es gab nur eine Antwort. Lila Kyle würde mit dem Geschmack von Schokolade auf der Zunge sterben.

60
    Verrat. Verrat.
    Wie hatte die Rebellion so nah herankommen können? Konnte ihm das bitte jemand erklären? Erst die Rothaarige, dann Vale und jetzt Lilas Dienstmädchen? Diese zitternde Maus? Diese anonyme Nullnummer, die immer zu Boden starrte, wenn jemand hereinkam? Wie tief reichte die Verschwörung in die Kuppel hinein?
    Zu Guilders endlosem Ärger war die Rothaarige immer noch auf freiem Fuß. Sie hatte bei ihrer Flucht elf Leute umgebracht. Wie war das möglich? Nicht mal ihren Namen hatten sie herausbekommen. Ihr könnt mich rufen, wie ihr wollt, nur nicht frühmorgens. Witze. Witze von einer Frau, die tagelang geschlagen worden war. Was Sod anging, musste Guilder seinen Irrtum im Nachhinein eingestehen. Einen solchen Mann von der Leine zu lassen, das führte geradewegs in die Katastrophe.
    Die Befragung des Dienstmädchens hatte Guilder selbst beaufsichtigt. Sie war aus weicherem Holz als die Rothaarige: Drei Tauchgänge im Bottich, und schon hatte sie geredet. Die Bombe im Gartenschuppen. Die Serviererin, Jenny, die seit drei Tagen niemand mehr gesehen hatte. Ein Versteck, dessen Lage sie nicht kannte, weil man sie betäubt hatte, was einleuchtete; so wäre Guilder selbst auch verfahren. Sie rückte mit anderen Namen heraus: einer Frau namens Nina– aber die einzige Nina in den Akten war vor vier Jahren gestorben– und einem Mann namens Eustace, über den es überhaupt keine Unterlagen gab. Alles hochinteressant, aber nichts, was wirklich brauchbar gewesen wäre.
    Sollen wir sie härter anpacken?, fragte der Wärter. Wir könnten noch ein paar Runden so weitermachen, wissen Sie. Guilder schaute auf die Frau hinunter, die immer noch festgeschnallt auf dem Brett lag, das Haar nass vom eiskalten Wasser, und zitternd und keuchend nach Luft schnappte. Sara Fisher, Nr. 94801, wohnhaft in Baracke 31, Arbeiterin in der Biodiesel-Anlage 3. Doktor Verlyn hatte sie erkannt; sie hatte zu der Ladung gehört, die sie aus

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