Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)
Gruppe kleidete ihre Unruhe in die überflüssige Wiederholung diverser Vorbereitungen. Sie reinigten Waffen. Sie studierten Baupläne und Karten. Sie gingen Checklisten durch, und ein jeder prägte sich die Anweisungen ein, die er erhalten hatte. Hollis’ und Michaels Gedanken hatten in den letzten Tagen nur darum gekreist, wie sie Sara und Kate retten könnten. Alicia ging mit ihrer bangen Unruhe so um wie mit allem: Sie zeigte sie nicht. Die Kugel aus Peters Pistole hatte keinen Knochen verletzt und war glatt wieder ausgetreten. Sie hatte Glück gehabt, trotzdem erinnerten der Verband und die Armschlinge Peter auf Schritt und Tritt daran, wie nah er daran gewesen war, sie umzubringen. Wenn sie keine Befehle verteilte, zog sie sich in undurchdringliches Schweigen zurück und ließ ihn, ohne es auszusprechen, wissen, dass sie sich im Kampfmodus befand. Greer ließ durchblicken, dass ihr in der Haftzelle etwas zugestoßen und dass sie furchtbar geschlagen worden war, aber jeder Versuch, sie danach zu fragen oder ihr Trost anzubieten, wurde streng zurückgewiesen. » Es geht mir gut«, sagte Alicia in einem schroffen Ton, der nur bedeuten konnte, dass es ihr nicht gut ging. » Macht euch keine Sorgen um mich. Ich kann selbst auf mich aufpassen.« Tatsächlich sah es aus, als gehe sie Peter bewusst aus dem Weg, und immer wieder verschwand sie für längere Zeit. Hätte er es nicht besser gewusst, hätte er vermutet, dass sie wütend auf ihn war. Wenn sie nach Stunden zurückkam, roch sie nach Pferdeschweiß, doch wenn Peter fragte, wo sie gewesen sei, antwortete sie nur, sie habe die Umgebung ausgekundschaftet. Er hatte keinen Grund, daran zu zweifeln, aber die Erklärung klang dürftig, als verstecke sich dahinter noch etwas, das sie ihm nicht sagte.
Auch Tifty hatte sich auf subtile, aber unbestreitbare Weise verändert. Das Wiedersehen mit Greer war ihm nähergegangen, als Peter erwartet hatte. Die beiden hatten früher zusammen als Expeditionäre gedient, und das verband sie zweifelsohne miteinander, aber dass ihre Freundschaft so tief reichte, hätte Peter nicht gedacht. Sie behandelten einander mit aufrichtiger Wärme. Anfangs wunderte Peter sich, aber der Grund war offensichtlich: Greer und Tifty waren schon einmal hier gewesen, zusammen mit Vorhees und Crukshank. Die Geschichte vom Massaker auf dem Feld, von Dee und den beiden kleinen Mädchen. Greer wusste besser als jeder andere, was in Tifty Lamont vorging.
So vergingen Stunden, dann Tage. Über allem schwebte die Frage: Würde der Plan funktionieren? Und wenn ja, würden sie rechtzeitig zu Amy durchkommen?
In der dritten Nacht, als Peter das Warten keine Sekunde länger aushielt, verließ er den Keller der Polizeiwache, wo alle schliefen, stieg die Treppe hinauf und trat ins Freie. Die Front des Gebäudes war durch ein breites Vordach geschützt, das den Boden schneefrei hielt. Alicia saß an der Wand und hatte die Knie an die Brust gezogen. Die Armschlinge hatte sie abgelegt. In der einen Hand hielt sie ein langes, blitzendes Messer, in der anderen einen Schleifstein. In langen, gleichmäßigen Zügen strich sie mit der Klinge am Stein entlang, erst mit der einen, dann mit der anderen Seite, und nach jedem Strich hielt sie inne und begutachtete ihr Werk. Sie schien Peter nicht gleich zu bemerken, so konzentriert war sie, aber dann spürte sie seine Anwesenheit und hob den Kopf. Es war an ihr, etwas zu sagen, doch sie tat es nicht. Ihr Gesicht sah ausdruckslos aus, allenfalls ein wenig verstört.
» Hast du was gegen ein bisschen Gesellschaft?«
» Setz dich, wenn du willst.«
Er setzte sich neben ihr auf den Boden. Jetzt konnte er es fühlen: Die Luft um sie herum knisterte von kaum gezügelter Wut, die sie ausstrahlte wie elektrischen Strom.
» Ein irres Messer. Woher hast du das?«
Sie hatte ihr geduldiges Schärfen wiederaufgenommen. » Von Eustace. Es heißt Bajonett.«
» Glaubst du nicht, dass es scharf genug ist?«
» Ich muss nur meine Hände beschäftigen.«
Er überlegte angestrengt, was er als Nächstes sagen sollte, aber ihm fiel nichts ein. Wo bist du gewesen, Lish?
» Ich sollte wütend auf dich sein«, sagte er schließlich. » Du hättest mir sagen können, was deine Befehle waren.«
» Und dann? Was hättest du dann getan? Wärst du mir gefolgt?«
» Ich habe mich so oder so unerlaubt von der Truppe entfernt. Ein paar Tage mehr hätten nichts ausgemacht.«
Sie blies auf die Messerspitze. » Das waren nicht deine Befehle,
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