Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)
Peter. Versteh mich nicht falsch, ich freue mich, dich zu sehen. Ich bin nicht mal überrascht. Irgendwie wundert es mich nicht, dass du hier bist. Du bist ein guter Offizier, und wir werden dich brauchen. Aber jeder von uns beiden hat eine Aufgabe, auf die er sich konzentrieren muss.«
Er war verblüfft. Ein guter Offizier? Mehr war er nicht für sie? » Das klingt nicht nach dir.«
» Es ist egal, wie es klingt. Es ist einfach so. Vielleicht wird es Zeit, dass es mal jemand ausspricht.«
Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Das war nicht die Alicia, die er kannte. Was immer in dieser Zelle mit ihr passiert war, es hatte sie so tief in sich selbst zurückgetrieben, dass es aussah, als sei sie überhaupt nicht mehr da.
» Ich mache mir Sorgen um dich.«
» Das brauchst du nicht.«
» Ich mein’s ernst, Lish. Da stimmt doch etwas nicht. Du kannst es mir erzählen.«
» Es gibt nichts zu erzählen, Peter.« Sie seufzte tief und sah ihm in die Augen. » Vielleicht… vielleicht wache ich nur gerade auf. Sehe der Realität ins Gesicht. Das solltest du auch tun. Das hier wird nicht einfach werden.«
Er war verletzt. Forschend sah er ihr ins Gesicht, suchte nach einem Hauch von Wärme und fand keinen. Er schaute als Erster wieder weg.
» Was glaubst du, was mit ihr passiert?« Er brauchte sich nicht genauer auszudrücken. Alicia wusste, wen er meinte.
» Ich versuche, nicht daran zu denken.«
» Warum hast du sie gehen lassen?«
» Ich habe sie nicht gehen lassen, Peter. Das war nicht meine Entscheidung.«
Kaltes Schweigen senkte sich herab.
» Ich könnte etwas zu trinken gebrauchen«, sagte Peter schließlich.
Sie lachte leise. » Also, das ist was Neues. Ich glaube, diese Worte habe ich von dir noch nie gehört.«
» Es gibt für alles ein erstes Mal.« Er fuhr fort: » Erinnerst du dich an den Bunker in Twentynine Palms, wo wir den Whiskey gefunden haben?«
Die Flasche war in einem Schreibtisch gewesen. Um die Reparatur der Humvees und ihre unmittelbar bevorstehende Abreise aus dem Bunker zu feiern, hatten sie sie im Kreis herumgereicht und auf das große Abenteuer getrunken, das sie auf ihrer Reise ostwärts nach Colorado erwartete.
Ein warmer Unterton schlich sich in ihre Stimme. » Gott, wir waren alle so betrunken. Michael war am schlimmsten. Schnaps hat er nie vertragen.«
» Nein, ich glaube, das war Hightop. Weißt du noch, wie er einen Lippenstift aufgemacht und sich das ganze Gesicht damit eingeschmiert hat? ›Seht mich an, seht mich an, ich bin ein Viral!‹ Der Junge war zum Totlachen.«
Sofort war klar, dass er einen Fehler begangen hatte. Noch nach fünf Jahren war der Tod des Jungen eine offene Wunde. In all der Zeit hatte Peter nie gehört, dass Alicia seinen Namen erwähnte.
» Entschuldige, ich wollte nicht…«
Ein helles Flackern über dem Horizont. Ein Blitz? Im Winter? Einen Augenblick später hörten sie das Donnern, gedämpft, aber unverkennbar.
» Glaubst du…?«
Eustace tauchte auf. » Ich hab’s auch gehört. Aus welcher Richtung?«
Es war von Süden gekommen. Die Entfernung war schwer zu schätzen, aber es müssten ungefähr fünf Meilen sein.
» Tja«, sagte Eustace und nickte bei sich, » ich denke, morgen früh wissen wir mehr.«
Kurz nach dem Morgengrauen kam ein Bote von Nina. Die Sprengfallen in ihrem Versteck hatten ihre Wirkung getan; die List war erfolgreich gewesen. Minister Suresh, den Guilder beauftragt hatte, ihre Festnahme persönlich zu beaufsichtigen, war Gerüchten zufolge unter den Toten. Ein Vorgeschmack, so hofften alle, auf das, was kommen würde.
Aber der zweite Teil der Botschaft war noch verheißungsvoller. Ein Sattelschlepper parkte seit dem Abend zuvor vor dem » Projekt«. Er wurde von einer großen Security-Einheit bewacht, mindestens zwanzig Mann stark. Der letzte Mosaikstein lag an seinem Platz: Die Zwölf setzten sich in Bewegung. Guilder hatte seine Karten gezeigt. Alle wussten, was nun auf dem Spiel stand. Ihr Plan war zwar gut durchdacht, aber ob er hinhauen würde, konnte keiner sagen. Guilders Befehl, die Bevölkerung im Stadion zu versammeln, hatte zur Folge, dass der Rest der Stadt nur unzureichend geschützt sein würde, und wenn alles gut ginge, würde die Rebellion das Regime mit einem Schlag in fast jeder Hinsicht ausschalten. Alles hinge jedoch vom Timing ab: Da sie nicht mehr miteinander kommunizieren konnten, wenn die Dinge erst einmal im Gange wären, genügte die kleinste Kleinigkeit, um alles
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