Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
Vom Netzwerk:
Ninas Team an der Südseite des Stadions abgestellt hatte. Früher oder später würde man ihn bemerken– was macht der Wagen hier? –, aber bisher war niemand auf ihn aufmerksam geworden. Nach dem Aussteigen würde sich jeder in die Reihe der Leute einfädeln, die auf dem Weg ins Stadion waren. Ein heikler Augenblick, wenngleich nur der erste von vielen.
    Eustace ging als Erster. Michael stand oben auf der Leiter und beobachtete ihn. » Okay«, sagte er, » ich glaube, er hat es geschafft.«
    Lore und Greer gingen als Nächste. Im Innern des Stadions würden sie sich an einem verabredeten Ort wieder treffen. Alicia wäre die Vorletzte, und Tifty sollte die Nachhut bilden. Peter ging am Fuße der Leiter in Stellung. Alicia stand hinter ihm. Wie alle andern trug sie den kratzigen Kittel und die Hose der Flachländer.
    » Tut mir leid, das mit deinem Arm«, sagte er zum hundertsten Mal.
    Alicia lächelte auf ihre wissende Art. Es war das erste Lächeln, das er seit Tagen bei ihr gesehen hatte. » Verdammt, es wurde wahrscheinlich Zeit, dass einer von uns den anderen erschießt. Praktisch alles andere haben wir doch schon getan. Ich bin bloß froh, dass du so schlecht schießen kannst.«
    » Eine wirklich rührende Szene«, sagte Tifty trocken, » aber wir müssen wirklich los.«
    Peter zögerte. Er wollte nicht, dass dies die letzten Worte waren, die sie einander sagten.
    » Ich habe doch gesagt, du kriegst deine Chance, oder?« Alicia umarmte ihn rasch. » Du hast gehört, was der Mann sagt. Beweg dich. Wir sehen uns, wenn der Staub sich gelegt hat.«
    Aber sie sah ihn bei diesen Worten nicht an, sondern wandte den Blick ab, und ihre Augen waren feucht.
    Die Frage, vor der er stand, war diese: Was sollte er anziehen?
    Die Ära von Anzug und Krawatte war zu Ende für Horace Guilder. Dieser Teil seines Lebens war vorbei. Ein Anzug war das Kostüm eines Regierungsbeamten, nicht das des Hohepriesters vom Tempel des Immerwährenden Lebens.
    Das alles war einigermaßen nervenzerrüttend. Sein ganzes Berufsleben lang hatte Guilder sich für den Tag angekleidet, ohne einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden. In die Kirche war er nicht oft gegangen, nicht mal als Kind. Ab und zu hatte seine Mutter ihn mitgenommen, aber sein Vater war nie gegangen. Trotzdem erinnerte er sich, dass eine Art Gewand üblich war. Etwas wie ein Kleid.
    » Suresh!«
    Der Mann kam ins Schlafzimmer gehumpelt. Wie sah er nur aus– fast so schlimm wie Sod. Sein Gesicht war geschwollen und rosarot. Brauen und Wimpern waren versengt, was den Augen einen verblüfften Ausdruck verlieh. Überall hatte er Schnitt- und Platzwunden, die runzlig und roh aussahen. In ein paar Tagen wäre alles wieder in Ordnung, aber einstweilen sah der Mann aus wie eine Kreuzung aus einem gekochten Schinken und dem Verlierer eines unausgeglichenen Boxkampfs.
    » Besorgen Sie mir ein Dienstmädchengewand.«
    » Wofür?«
    Guilder winkte ihn zur Tür. » Machen Sie schon. Ein großes.«
    Das Verlangte wurde gebracht. Suresh blieb stehen; offensichtlich hoffte er auf eine Erklärung für Guilders sonderbaren Wunsch, oder er freute sich darauf zu sehen, wie Guilder sich in dieses Gewand wickelte.
    » Müssen Sie nicht irgendwo sein?«
    » Ich dachte, Sie wollten, dass ich hierbleibe.«
    » Mein Gott, seien Sie nicht so dämlich. Kümmern Sie sich um den Wagen.«
    Suresh hinkte davon. Guilder baute sich vor dem mannshohen Spiegel auf und hielt das Gewand vor sich. Um des lieben Herrgotts willen, er würde aussehen wie ein Clown in dem Ding. Aber die Uhr tickte. Human Resources würden die Flachländer jetzt jeden Moment ins Stadion bugsieren. Eine kleine Verzögerung wäre nicht unbedingt schlecht; sie würde die Erwartungen in die Höhe schrauben, aber die Massen unter Kontrolle zu halten, würde problematisch werden, wenn er zu lange trödelte. Am besten, er biss jetzt in den sauren Apfel: Entschlossen stülpte er sich das Gewand über den Kopf. Was er im Spiegel sah, war doch kein Clown, sondern eher die Braut bei einer Amish-Hochzeit. Das Teil war absolut formlos. Er nahm zwei Krawatten von der Stange in seinem Kleiderschrank, knotete sie zusammen und schlang sie um die Taille. Entschieden besser, aber etwas fehlte noch. Die Priester, an die er sich von seinen kindlichen Begegnungen mit der Religion erinnerte, hatten immer so etwas wie einen Schal getragen. Guilder ging zum Fenster. Die Vorhänge wurden von schweren goldenen Kordeln mit Troddeln an den Enden am

Weitere Kostenlose Bücher