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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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neuen, wasserstoffgetriebenen Toyotas– lautlos durch die Einfahrt geglitten war. Lieber Gott, sogar sein Auto war tugendhaft. Wahrscheinlich fuhr der Papst auch so eins.
    Aber war das da drüben nicht ein Hund? Lila drückte das Gesicht an die Scheibe. Der Hund der Johnsons tappte mitten auf der Straße entlang. Die Johnsons wohnten zwei Häuser weiter, ein Elternpaar in einem leeren Nest– die Tochter hatte irgendwohin geheiratet, der Sohn war auf dem College. MIT ? Caltech? Eins von denen. Mrs. Johnson ( » Nennen Sie mich einfach Sandy!«) war die erste Nachbarin gewesen, die am Tag ihres Einzugs mit Napfkuchen und lautem Hallo vor der Tür gestanden hatte. Lila sah sie an jedem dienstfreien Abend, wie sie, manchmal von ihrem Mann Geoff begleitet, Roscoe ausführte, einen großen, grinsenden Golden Retriever, der so unterwürfig war, dass er sich immer auf den Boden warf und den Bauch gekrault haben wollte, wenn jemand herankam. ( » Entschuldigen Sie diese tuntenhafte Töle«, sagte Geoff immer.) Das da draußen war Roscoe, doch irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Er sah nicht aus wie sonst. Seine Rippen standen heraus wie die Klangstäbe eines Xylophons, und er lief ziellos herum und hielt etwas in der Schnauze. Irgendetwas… Schlaffes, Baumelndes. Wussten die Johnsons, dass er frei herumlief? Sollte sie sie anrufen? Aber das Telefon war tot, und sie hatte David versprochen, im Haus zu bleiben. Sicher würde noch jemand anders ihn sehen und sagen, hey, das ist doch Roscoe, er muss weggelaufen sein.
    Zum Teufel mit David, dachte sie. Er konnte so egozentrisch sein, so gedankenlos: Gott weiß, wo er sich herumtrieb, während sie hier hockte, ohne Wasser, ohne Telefon und ohne Strom und mit einer völlig verkehrten Farbe im Kinderzimmer, die nicht mal annähernd passte! Sie war erst im sechsten Monat, aber sie wusste, wie rasend schnell die Zeit verging. Gerade hatte man noch Monate vor sich, und ehe man sichs versah, wurde man mit seinem Köfferchen zur Tür hinausgeschoben und holterdipolter in die Klinik gefahren, und dann lag man dort unter den Neonlampen auf dem Rücken und schnaufte und keuchte, und die Wehen wüteten und übernahmen das Kommando, bis man endlich das Kind geboren hatte. Und durch den Nebel des Schmerzes spürte sie eine Hand in ihrer eigenen, und sie schlug die Augen auf und sah Brad neben sich mit einem Gesichtsausdruck, den sie unmöglich mit Worten beschreiben konnte– einem wunderschönen, angstvollen, hilflosen Blick–, und sie hörte seine Stimme: Pressen, Lila, du hast es fast geschafft, noch einmal pressen, dann ist es vorbei, und sie tat es: Sie sammelte tief in sich die Kraft für dieses eine, letzte Mal und presste das Baby hinaus. Und in der Stille, die darauf folgte, reichte er ihr das eingewickelte Kind wie ein Zaubergeschenk. Tränen des Glücks liefen über seine Wangen, und sie spürte in dem Moment, wie das Leben mit ihm tief und dauerhaft richtig war. Sie wusste, dass sie diesen Mann gewählt hatte, weil es einfach so sein sollte, und dass ihr Kind Eva, dieses warme, neue Geschöpf, das sie beide geschaffen hatten, genau dies war: sie beide, eins geworden.
    Brad? Wieso dachte sie an Brad? David. David war ihr Mann, nicht Brad. Papst David und sein Papamobil. Hatte es einen Papst David gegeben? Wahrscheinlich. Lila war Methodistin. Sie durfte man da nicht fragen.
    Na, dachte sie, nachdem Roscoe außer Sicht war, genug war genug. Sie hatte keine Lust mehr, in einem dreckigen Haus eingesperrt zu sein. David mochte tun, was David wollte, aber sie sah keinen Grund, an diesem makellos schönen Junitag hier herumzusitzen– nicht, wenn sie so viel zu tun hatte. Ihr treuer alter Volvo wartete in der Einfahrt. Wo war ihre Handtasche? Ihr Portemonnaie? Ihr Schlüssel? Da lag doch alles, auf dem kleinen Tisch neben der Haustür! Genau da, wo sie es vor einiger Zeit gelassen hatte.
    Oben ging sie ins Bad– mein Gott, die Toilette war in einem Zustand, an den sie nicht mal denken wollte– und betrachtete ihr Gesicht im Spiegel. Na, was ihr da entgegenblickte, war nicht so toll. Man hätte sie für das Opfer einer Schiffskatastrophe halten können; ihr Haar sah aus wie ein Rattennest, und ihre trüben Augen lagen tief in den Höhlen. Ihre Haut war fahl, als hätte sie seit Wochen keine Sonne mehr gesehen. Sie gehörte nicht zu den Frauen, die sich eine Stunde lang aufbrezeln mussten, bevor sie das Haus verlassen konnten, aber trotzdem… Sie hätte zu gern geduscht, aber das war

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