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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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hinauf, vorbei an der Ruine der Kuppel– die verkohlten Balken hatten noch tagelang gequalmt– und durch die alte Innenstadt. Sich frei und ohne Angst zu bewegen kam ihr immer noch ein bisschen unwirklich vor. Sie dachte daran, bei der Apotheke vorbeizugehen und Eustace, und wer sonst noch da sein mochte, Hallo zu sagen, aber ihre Füße gehorchten ihr nicht. Die Vorfreude machte ihren Schritt leicht, und sie lief die sechs Treppen zum Apartment hinauf.
    » Mummy!«
    Hollis und Kate saßen auf dem Boden und spielten Bohnen und Becher. Bevor Sara sich den Schal vom Hals gewickelt hatte, war Kate aufgesprungen und flog ihr in die Arme. Sara hob sie auf die Hüften, um ihr in die Augen zu sehen. Sie hatte Kate nie aufgefordert, sie so anzureden. Sie wollte sie nicht mehr als unbedingt nötig verwirren. Aber darauf war es nicht angekommen; das Mädchen hatte es einfach getan. Einen Vater hatte Kate nie gehabt, und so hatte sie ein bisschen länger gebraucht, um sich an die Rolle zu gewöhnen, die Hollis in ihrem Leben spielte. Doch eines Tages, ungefähr eine Woche nach der Befreiung, hatte sie angefangen, ihn Daddy zu nennen.
    » Na, da bist du ja«, sagte Sara glücklich. » Wie war’s denn heute? Hast du Spaß gehabt mit Daddy?«
    Die Kleine griff Sara ins Gesicht, schloss die Faust um ihre Nase und tat, als reiße sie sie ab. Sie stopfte sie in den Mund und drückte die Zunge innen gegen die Wange. » Ich hab meime Mawe«, sagte sie wie mit vollem Mund.
    » Gib sie sofort wieder her!«
    Kate strahlte begeistert, und das blonde Haar flog um ihr Gesicht, als sie mit gespieltem Trotz den Kopf schüttelte. » Neiiin. Ist meime.«
    Dann kam das Kitzeln, das Lachen aller Beteiligten, der Diebstahl weiterer Körperteile und am Ende die Rückerstattung von Saras Nase. Ehe der Kampf vorbei war, hatte sich auch Hollis ins Getümmel gestürzt. Er legte die Hand um Kates Hinterkopf und küsste Sara schnell, und sein Bart– warm, vertraut, erfüllt von seinem Duft– lag wie Wolle an ihrer Wange.
    » Hunger?«
    Sie lächelte. » Ich könnte etwas essen.«
    Hollis brachte ihr einen Teller. Er und Kate hatten schon gegessen. Er setzte sich mit ihr an den kleinen Tisch, und Sara langte zu. Das Fleisch, gestand er, schmeckte nicht besonders, aber die Möhren und Kartoffeln waren passabel. Sara kümmerte es kaum; noch nie hatte es ihr so gut geschmeckt wie in den letzten paar Wochen. Sie sprachen von ihren Patienten, von Peter und Michael und den anderen, von Kerrville und dem, was sie dort erwartete, und über den Treck nach Süden, der in wenigen Tagen beginnen würde. Hollis hatte zunächst vorgeschlagen, bis zum Frühjahr zu warten, wenn der Marsch weniger beschwerlich wäre, doch Sara hatte davon nichts hören wollen. Zu viel ist hier passiert, hatte sie gesagt. Ich habe keine Ahnung, wo ich hingehöre, aber wenn es einen Ort gibt, dann liegt er in Texas.
    Sie spülten die Teller, stellten sie in den Ständer und machten Kate bettfertig. Es war schon nach neun. Als Sara ihrer Tochter das Nachthemd über den Kopf zog, war das Kind schon halb eingeschlafen. Sie deckten sie zu und zogen sich ins Wohnzimmer zurück.
    » Musst du wirklich noch einmal ins Krankenhaus?«, fragte Hollis.
    Sara nahm ihren Mantel vom Haken und schlängelte sich in die Ärmel. » Nur ein paar Stunden. Du brauchst nicht aufzubleiben.« Aber genau das würde er tun, und Sara hätte es auch getan.
    » Komm her.«
    Sie küsste ihn und ließ sich Zeit damit. » Wirklich. Geh schlafen.«
    Aber als sie die Hand auf den Türknauf legte, hielt er sie fest. » Woher hast du es gewusst, Sara?«
    Sie konnte sich denken, was er meinte. Plötzlich sah er unsicher aus.
    » Woher habe ich was gewusst?«
    » Dass sie es war. Dass es Kate war.«
    Seltsam– Sara war nie auf die Idee gekommen, sich diese Frage zu stellen. Nina hatte Kates Identität bei dem Geheimtreffen im Hinterzimmer der Apotheke bestätigt, obgleich das nicht nötig gewesen wäre; für Sara hatte es nie einen Hauch von Zweifel gegeben. Es war mehr als die äußerliche Ähnlichkeit, die es ihr verraten hatte. Das Wissen hatte einen tieferen Ursprung gehabt. Sie hatte Kate angesehen und sofort gewusst, dass unter allen Kindern der Welt dieses hier ihre Tochter war.
    » Nenn es Mutterinstinkt. Es war so, wie… wie ich mich selbst kenne.« Sie zuckte die Achseln. » Besser kann ich es nicht erklären.«
    » Trotzdem, wir haben Glück gehabt.«
    Sara hatte ihm nichts von dem Folienpäckchen erzählt, und

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