Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)
Ein Anruf genügte, um alles in Gang zu setzen.
» Packen Sie Ihre Sachen«, sagte er. » Wir fahren nach Iowa.«
13
Sonnenaufgang, zweiter Tag: Sie waren jetzt irgendwo mitten in Nebraska. Danny saß über das Steuer gebeugt. Seine Augen brannten vor Schlafmangel, denn er war die ganze Nacht durchgefahren. Alle außer Kittridge waren eingeschlafen, sogar der unausstehliche Jamal.
Es tat gut, wieder Leute im Bus zu haben. Nützlich zu sein, eine nützliche Lokomotive.
Auf einem kleinen Flugplatz in McCook hatten sie noch Diesel gefunden. Die paar Städte, durch die sie gekommen waren, waren leer und verlassen gewesen wie in einem alten Western. Okay, vielleicht hatten sie sich verfahren, ein bisschen. Aber Kittridge und der andere Mann, Pastor Don, meinten, das wäre nicht so wichtig, solange sie nur immer nach Osten fuhren. Mehr brauchst du nicht zu tun, Danny, sagte Kittridge. Sieh zu, dass du uns nach Osten fährst.
Er dachte an das, was er auf dem Highway gesehen hatte. Das war schon was gewesen. Er hatte in den letzten zwei Tagen viele Tote gesehen, doch so schlimm war es noch nie gewesen. Kittridge hatte er gern; er erinnerte ihn irgendwie an Mr. Purvis. Nicht, dass er ausgesehen hätte wie Mr. Purvis– das tat er überhaupt nicht. Es war die Art und Weise, wie er mit Danny redete: als ob er wichtig wäre.
Er fuhr und dachte an Momma und Mr. Purvis und Thomas und Percy und James und daran, wie nützlich er war. Wie stolz Momma und Mr. Purvis jetzt auf ihn wären.
Die Sonne guckte über den Horizont, und sie war so hell, dass Danny blinzeln musste. Bald würden alle wach werden. Kittridge beugte sich über seine Schulter.
» Wie steht’s mit Sprit?«
Danny sah nach. Der Tank war noch zu einem Viertel voll.
» Lass uns anhalten und aus den Kanistern nachtanken«, sagte Kittridge. » Dann können die Leute sich ein bisschen die Beine vertreten.«
Sie fuhren von der Straße herunter auf einen Rastplatz. Kittridge und Pastor Don warfen einen Blick in die Toilettenhäuschen und stellten fest, dass die Luft rein war.
» Dreißig Minuten Pause, Leute«, sagte Kittridge.
Sie hatten inzwischen noch mehr Vorräte aufgetrieben– Kisten mit Crackern und Erdnussbutter und Äpfeln und Energy-Riegeln, Limo- und Saftflaschen, selbst Windeln und Babynahrung für Boy jr.; Kittridge hatte sogar eine Schachtel Lucky Charms entdeckt, Dannys Lieblingsfrühstücksflocken. Aber die Milch im Kühlregal des Supermarkts war schlecht gewesen, und er würde die Lucky Charms trocken essen müssen. Danny, Kittridge und Pastor Don wuchteten die Kanister hinten aus dem Bus und fingen an, den Diesel in den Tank zu gießen. Danny hatte ihnen erzählt, dass der Bus einen Tank hatte, in den exakt zweihundert Liter passten. Jede Tankfüllung würde sie dreihundert Meilen weit bringen.
» Du bist ziemlich exakt in allem«, stellte Kittridge fest.
Als sie mit dem Tanken fertig waren, nahm Danny die Schachtel Lucky Charms und eine lauwarme Dose Dr.-Pepper-Limonade und setzte sich damit unter einen Baum. Die andern saßen um einen runden Picknicktisch herum, auch Jamal. Der sagte nicht viel, aber anscheinend hatten die anderen beschlossen, nicht nachtragend zu sein. Linda Robinson zog Boy jr. eine frische Windel an; sie gurrte und brachte ihn dazu, mit Armen und Beinen zu zappeln. Danny hatte nie viel mit Babys zu tun gehabt. Nach allem, was er darüber wusste, weinten sie viel, doch Boy jr. war bis jetzt mucksmäuschenstill gewesen. Es gab süße Babys, und es gab schreckliche Babys, hatte Momma gesagt, und Boy jr. war eins von den süßen. Danny versuchte, sich daran zu erinnern, wie er selbst ein Baby gewesen war, nur um zu sehen, ob er das konnte, aber seine Gedanken wollten nicht so weit zurückgehen. Komisch, dass es da einen ganzen Teil des Lebens gab, an den man sich nicht erinnern konnte, außer in kleinen Bildern: Sonne, die auf der Fensterscheibe blitzte, ein toter Frosch in der Einfahrt, von einem Autoreifen zerquetscht, eine Apfelscheibe auf einem Teller. Ob er auch ein süßes Baby gewesen war wie Boy jr.?
Danny beobachtete die Gruppe, stopfte sich Lucky Charms in den Mund und spülte sie mit dem Dr. Pepper herunter. Tim stand vom Tisch auf und kam zu ihm herüber.
» Hey, Timbo. Wie läuft’s?«
Die Haare des Jungen standen wirr vom Kopf ab, nachdem er im Bus geschlafen hatte. » Ganz okay, schätze ich.« Er hob locker die Schultern. » Kann ich bei dir sitzen?«
Danny rutschte zur Seite.
» Tut mir leid, dass
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