Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Antwort.
    » Okay, dann machen wir’s so.«
    Sie fuhren zurück ins Zentrum des Städtchens. Alle Lichter waren aus, die Straßen leer. Sie kamen zu der Schule, einem modern aussehenden Bau abseits der Straße am Rande der Felder. Auf einem transparentartigen Schild am Rand des Parkplatzes stand in fetten Lettern: » Hurra, Lions! Schöne Sommerferien!«
    » Wartet alle hier«, sagte Kittridge.
    Er verschwand im Schulgebäude. Nach ein paar Minuten kam er wieder heraus und wechselte einen kurzen Blick mit Pastor Don. Die beiden Männer nickten.
    » Wir kriechen hier für die Nacht unter«, verkündete Kittridge. » Bleibt zusammen, niemand spaziert davon. Strom gibt es nicht, aber fließendes Wasser, und in der Cafeteria ist noch Essbares. Wenn ihr zur Toilette müsst, geht zu zweit.«
    Im Eingangsflur wehten ihnen die verräterischen Gerüche einer Grundschule entgegen– von Schweiß und schmutzigen Socken, von Malsachen und gebohnertem Linoleum. Eine Trophäenvitrine stand neben einer Tür, die vermutlich zum Verwaltungsbüro führte. An den weiß gestrichenen Hohlblockwänden hingen Collagen– Bilder von Menschen und Tieren, die aus Zeitungen und Illustrierten ausgeschnitten waren. Neben den Arbeiten hingen gedruckte Etiketten mit den Namen und Klassen der Schöpfer: Wendy Mueller, 2. Klasse. Gavin Jackson, 5. Klasse. Florence Ratcliffe, Vorschulkindergarten.
    » April, geh mit Wood und Don ein paar Matten suchen, auf denen wir schlafen können. In den Kindergartenräumen sollten welche liegen.«
    Im Vorratsraum hinter der Cafeteria fanden sie Konserven mit Bohnen und Obstcocktail sowie Brot und Marmelade für Sandwiches. Es gab kein Gas zum Kochen; deshalb aßen sie die Bohnen kalt und servierten alles auf den Blechtabletts der Cafeteria. Inzwischen war es draußen dunkel, und Kittridge verteilte Taschenlampen. Sie sprachen nur flüsternd miteinander, denn sie befürchteten alle, die Virals könnten sie hören.
    Um neun hatten sich alle hingelegt. Kittridge überließ Don die Wache im Erdgeschoss und stieg mit einer Laterne die Treppe hinauf. Im ersten Stock waren viele Türen abgeschlossen, aber nicht alle. Kittridge entschied sich für das Physiklabor, einen großen, offenen Raum mit Arbeitstheken und Glasschränken, in denen Messbecher und andere Gerätschaften standen. Ein schwacher Butangeruch hing in der Luft. Auf der weißen Tafel an der vorderen Wand standen die Worte: » Kap.8–12 durchlesen. Abgabetermin Laborprotokolle Mittwoch«.
    Kittridge zog sein Hemd aus, wusch sich am Waschbecken in der Ecke, dann setzte er sich auf einen Stuhl und streifte die Stiefel ab. Die Prothese, die gleich unter dem linken Knie begann, bestand aus einem mit Silikon überzogenen Gerüst aus einer Titan-Legierung. Ein mikroprozessorgesteuerter hydraulischer Zylinder sorgte für die Imitation eines natürlichen Gangs. Er wurde angetrieben von einer winzigen Wasserstoffzelle und fünfzig Mal pro Sekunde justiert, um die korrekte Winkelgeschwindigkeit des Knöchelgelenks zu berechnen. Das Ding war der allerletzte Schrei auf dem Gebiet des Gliedmaßenersatzes, und Kittridge hatte keinen Zweifel daran, dass es die Army ein Vermögen gekostet hatte. Er rollte das Hosenbein hoch, schälte die Stumpfsocke herunter und wusch sich den Stumpf mit Seife aus dem Spender neben dem Waschbecken. Trotz der dicken Schwielen fühlte die Haut an der Kontaktstelle sich nach zwei Tagen ohne Pflege wund und empfindlich an. Er trocknete den Stumpf gründlich ab und ließ ihn noch ein paar Minuten an der frischen Luft, bevor er die Prothese wieder anlegte und das Hosenbein herunterrollte.
    Hinter ihm bewegte sich etwas, und das Geräusch schreckte ihn auf. Er drehte sich um. April stand in der offenen Tür.
    » Entschuldigung, ich wollte nicht…«
    Hastig zog er sein Hemd an und stand auf. Wie viel hatte sie gesehen? Aber das Licht war schlecht, und einer der Arbeitstische hatte ihn halb verdeckt.
    » Kein Problem. Hab mich nur ein bisschen gewaschen.«
    » Ich konnte nicht schlafen.«
    » Das macht nichts«, sagte er. » Du kannst hereinkommen, wenn du willst.«
    Unsicher kam sie näher. Kittridge ging mit dem AK zum Fenster und ließ den Blick kurz über die Straße vor dem Gebäude wandern.
    » Wie sieht’s draußen aus?« Sie blieb neben ihm stehen.
    » Bis jetzt ruhig. Was macht Tim?«
    » Schläft wie ein Stein. Er ist zäher, als er aussieht. Zäher als ich jedenfalls.«
    Dieses Geständnis überraschte ihn. » Das bezweifle