Die zwoelf Gebote
einem Blick über die Schalterhalle hin, daß Gable in seinem Büro saß. Er holte tief Luft und ging hinein. Mr. Gable war in einige Papiere vertieft.
Jetzt ist es soweit, dachte Tom. Das ist das Ende meiner Ehe
und meines Lebens.. Vermutlich kriege ich zwanzig Jahre.
„Mr. Gable", begann er.
„Sehen Sie nicht, daß ich beschäftigt bin?"
„Aber ich -"
„Kommen Sie später."
„Aber ich-"
„Später, habe ich gesagt!"
Tom stand noch einen Augenblick da, dann drehte er sich um und ging.
Er ging zurück zu seinem Schreibtisch und saß dort nachdenklich und dachte, wie dumm er gewesen war. Alles hatte mit dieser blöden Lüge angefangen, daß er die Gehaltserhöhung bekommen habe. Dann ging es weiter mit der Armbanduhr. Und dann mit der Idee vom Selbstmord. Mein ganzes Leben habe ich verpfuscht, dachte er.
Er sah, daß Mr. Gable drüben auf der anderen Seite der
Schalterhalle sich anschickte, wegzugehen. Schnell eilte er
noch einmal hinüber, um jetzt sein Geständnis abzulegen.
„Mr. Gable, ich -"
„Ich gehe gerade zum Essen."
„Aber-"
Doch da war Gable schon weg.
Nicht einmal mein Geständnis lassen sie mich loswerden, dachte Tom. Am besten gehe ich gleich zur Polizei und sage dort alles. Nein, doch nicht. Mr. Gable sollte es schon zuerst erfahren.
Schließlich dann - es war inzwischen zwei Uhr - stand Tom, als Mr. Gable vom Essen zurückkam und wieder in sein Büro ging, zum drittenmal auf und war wild entschlossen, sich diesmal von nichts mehr abhalten zu lassen. Er hatte sich genau zurechtgelegt, was er sagen wollte:
Mr. Gable, ich habe eine Million Dollar von Ihrer Bank unterschlagen. Ich weiß, es war nicht recht, aber ich tat es für meine Familie. Ich bin bereit, vor der Polizei ein Geständnis abzulegen und ins Gefängnis zu gehen.
Und diesmal wollte er sich von Mr. Gable auch auf keinen Fall noch einmal unterbrechen und abweisen lassen.
Er stand also auf, um zu Gable in dessen Büro zu gehen. In diesem Moment klingelte sein Telefon. Da er sein Geständnis im Kopf genau vorbereitet hatte, wollte er sich nun auch durch das Telefon nicht mehr abhalten lassen. Er setzte also seinen Weg zu Gables Büro zielstrebig fort. Aber das Telefon auf seinem Schreibtisch hörte nicht auf zu klingeln. Tom zögerte. Dann entschloß er sich, abzuheben - zum letzten Telefongespräch seines Lebens.
Er kehrte um, ging zurück zu seinem Schreibtisch, hob ab und
meldete sich.
„Hallo?" sagte er ungeduldig.
„Tom?"
„Ja."
Es war der Börsenmakler, und er klang furchtbar aufgeregt. „Mein guter Mann, Sie haben den Haupttreffer gelandet!" „Was?" „Die Kaffeeaktien! Die spielen verrückt!"
Tom spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoß.
„Tatsächlich?"
„Der Kurs ist zehn Punkte gestiegen und steigt weiter. Was wollen Sie machen?" „Verkaufen", sagte Tom, „verkaufen Sie." „Gut, aber der Kurs steigt noch immer!"
„Macht nichts verkaufen!" Er schrie es richtig ins Telefon. Als er auflegte, sank er entgeistert auf seinen Stuhl. Er hatte zehn Millionen Dollar verdient! Das Zehnfache! Es wurde ihm schwindlig. Zehn Millionen! Alles, was er jetzt noch tun mußte, war, die eine Leihmillion wieder zurückzutransferieren, und dann waren neun Millionen für ihn selbst übrig! Gable kam auf seinen Schreibtisch zu. „Tom, Sie müssen heute abend mal wieder Überstunden machen. Ich habe da einige Verträgt, die ich -"
Tom stand auf und sagt er „Mr. Gable, stecken Sie sich Ihre Verträge in die Ohren!"
Und er ging davon. Gable starrte ihm mit offenem Mund hinterher.
Tom rücküberwies die eine Million, die er für sein Geschäft von der Bank genommen hatte, und kassierte seine neun Millionen Gewinn von dem Makler ein. Er zog mit Mary und seinen drei Jungs in ein schönes, großes Haus, kaufte Mary ein neues Auto und elegante Kleider und fuhr mit ihr und seinen Söhnen auf eine dreimonatige Reise nach Europa.
Und alles, weil er das siebte Gebot gebrochen hatte.
8. KAPITEL
DAS ACHTE GEBOT:
DU SOLLST KEIN FALSCHES ZEUGNIS GEBEN WIDER DEINEN NÄCHSTEN.
Donald war noch nie verliebt gewesen. Er war Junggeselle. Er arbeitete als Schuhverkäufer in einem Kaufhaus in Chicago und führte ein ruhiges und zurückgezogenes Leben. Er wohnte in einem kleinen Apartment. Er war weder glücklich noch unglücklich. Sein Leben war ohne Aufregungen, aber das machte ihm nichts aus. Er kam jeden Tag von der Arbeit nach Hause, mixte sich einen Drink und las ein Buch oder sah fern. Doch dann auf einmal veränderte sich
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