Die zwoelf Gebote
und Hab und Gut nicht begehren soll, war ein Idiot!"
10. KAPITEL
DER ZWEITE TEIL DES ERSTEN GEBOTS: DU SOLLST DIR KEIN BILDNIS VON MIR MACHEN.
Es bleibt uns noch eine Geschichte zum zweiten Teil des Ersten Gebots: Du sollst dir kein Bildnis noch Gleichnis von mir machen. Dieses Gebot bedeutet einfach nur, man darf keine Statue anfertigen, die Gott darstellen soll. Einfacher geht es nicht, sollte man meinen? Nun, dazu muß man bedenken, daß es ein wichtiges Gebot sein muß, wenn Gott es gleich mit zum ersten machte, jedenfalls Moses zufolge.
Aber ich werde jetzt die Geschichte von dem Mann erzählen, der dieses Gebot übertrat. Wurde er dafür bestraft? Hatte er zu leiden? Kam er in die Hölle? Nichts von alledem. Ganz im Gegenteil, eben weil er dieses Gebot übertrat, wurde er reich.
Es ist die Geschichte von einem armen italienischen Holzschnitzer, der auch in Italien lebte. Er hieß Tony, und alle Mädchen im Dorf wollten ihn heiraten. Aber Tony liebte die Tochter des Bürgermeisters. Da gab es aber natürlich ein Problem. Der Bürgermeister war reich und Tony arm. Und der Bürgermeister dachte selbstverständlich nicht daran, seine schöne Tochter so einen armen Schlucker und Nichtsnutz von Holzschnitzer heiraten zu lassen.
Tony war allerdings ein sehr guter Holzschnitzer. Er schnitzte Tiere und Kinder, war aber so gutmütig und freigebig, daß er sie alle statt verkaufte einfach verschenkte, und deswegen hatte er auch kein Geld.
Anna, die Bürgermeistertochter, war nun jedoch ganz wild in Tony verliebt.
„Ich will dich heiraten", sagte Tony zu ihr.
„Ich dich auch, mein Liebling", sagte Anna. „Aber Papa sagt, ich muß einen reichen Mann heiraten."
Tony sagte: „Reich werde ich nie. Ich mache mir nichts aus Geld."
„Aber Papa macht sich nur etwas aus Leuten mit Geld." „Vielleicht könnten wir durchbrennen und heiraten", schlug Tony vor.
„Nein, das würde Papa zu sehr verletzen. Außerdem will er, daß ich den Bankdirektor heirate. Der ist sehr reich." „Liebst du den denn?"
„Natürlich nicht. Du weißt doch, daß ich nur dich liebe." „So wie ich dich. Was machen wir dann?"
„Kannst du dir denn nichts ausdenken, wie du reich wirst?" „Ich will doch aber gar nicht reich werden, Anna!"
Da wurde Anna zornig. „Na gut, dann heirate ich eben den Bankdirektor." Aber als sie sah, wie traurig und verletzt Tony daraufhin dreinsah, umarmte sie ihn. „Das habe ich nicht so gemeint, Liebling. Wenn ich dich nicht kriegen kann, heirate ich gar keinen. Ist mir ganz egal, was Papa sagt."
Nun war dies kein Gespräch, das nur einmal stattgefunden hätte. Es fand fast jeden Tag statt. Die beiden Liebenden wollten einander ganz dringend heiraten, aber ohne Papas Zustimmung ging es nicht. Solange Tony kein ansehnliches Vermögen hatte, konnte er auch mit keiner Zustimmung rechnen.
Eines Vormittags kam schließlich der Bankdirektor zu Annas Vater. Er war alt und häßlich, aber reich.
Annas Vater begrüßte ihn herzlich. Er mochte reiche Männer.
„Wie geht es Ihnen?" fragte er.
„Sehr gut, danke. Und Ihnen?"
„Sie sehen mich sehr glücklich", sagte Annas Vater. „Ich bin wohlhabend, habe eine gute Frau und eine schöne Tochter." „Genau darüber möchte ich mit Ihnen sprechen", sagte der Bankdirektor. „Über Ihre Tochter. Ich habe sie beobachtet, seit sie ein kleines Mädchen war. Sie ist zu einer schönen Frau herangewachsen."
Annas Vater nickte. „Ja, ich bin auch sehr stolz auf Sie." „Ich bin extra gekommen", sagte der Bankdirektor, „um bei Ihnen um ihre Hand anzuhalten."
Annas Vater war überrascht. Er wußte, daß Anna den Bankdirektor nicht mochte. Er war alt und häßlich und gemein. Aber das Ausschlaggebende war eben, daß er reich war. Doch er wußte auch, daß Anna glaubte, in diesen jungen Holzschnitzer verliebt zu sein, der aber zu arm war, um sie zu heiraten. „Ich fühle mich sehr geehrt", sagte Annas Vater, „und ich weiß, daß sich auch Anna sehr geehrt fühlen wird, Sie zu heiraten."
Der Bankdirektor lächelte. „Das hört man gern."
„Sie erwartet, daß Sie sehr großzügig zu ihr sind."
„Aber selbstverständlich. Sie wird ein schönes Zuhause haben und ein Automobil und Dienstpersonal, das ihr alle Arbeit abnimmt und sich um sie kümmert."
Annas Vater lächelte. „Das klingt gut. Ich rede mit Anna und arrangiere alles."
Die beiden Männer gaben sich die Hand darauf.
Als Anna am Nachmittag nach Hause kam, sagte ihr Vater:. „Setz dich, mein Kind.
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