Die Zwölf Türme (German Edition)
unseres Dorfes an Land gingen, haben sie uns völlig unbehelligt gelassen. Und dann sah ich noch etwas recht Seltsames."
"Was?" fragte Sarinja ungeduldig.
"Von Norden her näherte sich ein gutes Dutzend der fliegenden Vampyre dem Lager der Goldenen. Als sie es überflogen, wurden sie von den Atlantiden mit Feuerblitzen vom Himmel geschossen."
"Was hat das nun wieder zu bedeuten?" wunderte sich Sarinja, "Wenn sie gekommen sind, um uns zu vernichten, warum lassen sie dann ein Küstendorf in Ruhe und töten stattdessen ihre eigenen Vasallen?"
"Vielleicht wollen sie zunächst abwarten, ob wir mit den Bestien fertig werden", meinte Claudina nachdenklich, "Und vielleicht haben sich die Goldenen mit den Schattenlandbestien verfeindet. Es könnte doch sein, dass Crantor die Kontrolle über die Monstren verloren hat und nun verhindern will, dass sie Rakanor vernichten. Das würde erklären, warum sie die Vampyre getötet haben."
"Das müssen wir unbedingt herausfinden", sprach Lugaid, "Wenn die Atlantiden jetzt mit den Bestien verfeindet sind, dann haben wir noch eine gute Chance, auch dieses Unheil zu überstehen. Sollten sie aber hier sein, um unser Land auszulöschen, dann bleibt uns nichts anderes mehr übrig, als uns ihrer Gnade auf Gedeih und Verderb auszuliefern, bevor uns die Monstren abschlachten."
"Ich werde zum Lager der Goldenen reiten", erbot sich Claudina, "Dann wissen wir, woran wir sind."
"Euer Mut ehrt Euch, Gräfin", sprach der König, "Ich lasse Euch nur ungern gehen, aber wir haben wohl kaum eine andere Wahl."
Das Gespräch wurde jäh unterbrochen, als ein Krieger in völlig verdreckter Reitkleidung hereingestürzt kam. Auf der Brustseite seines Waffenrocks prangte ein roter Adler, das Wappen der Stadt Parva.
"Wir brauchen Hilfe, mein König!" rief der Mann, "Unsere Kolonne wurde von den Horden der Bestien eingeholt und umzingelt. Graf Ingor schickt mich, um Hilfe zu holen. Eilt Euch, denn wir sind in arger Bedrängnis!"
Der König stand auf und es war, als würden neue Energien durch seinen alten Körper fließen.
"Gräfin Sarinja", befahl er, "Nehmt alle berittenen Krieger, die Ihr in Kadrapor finden könnt und eilt dem Treck aus Parva zu Hilfe. Das Fußvolk soll hier bleiben, es wäre zu langsam, um noch rechtzeitig dort einzutreffen. Ihr habt ja gehört, was der Bote sagt. Es ist höchste Eile geboten."
Die Frau mit den langen, dunkelbraunen Haaren und der aufregenden Figur machte auf dem Absatz kehrt und stürmte hinaus.
Lugaid wandte sich indessen an Claudina: "Und Ihr, Gräfin von Maruna, nehmt Euch eine Eskorte und reitet als Unterhändlerin zum Lager der Goldenen, damit wir erfahren, warum sie an unserer Küste gelandet sind."
Claudina nickte und verließ den Beratungsraum nicht weniger eilig wie zuvor Sarinja...
Maridas Verletzungen waren doch schlimmer als zunächst angenommen. Der Heilkundige vermutete, dass sie sich beim Sturz einen Halswirbel ausgerenkt oder gar angebrochen hatte. So konnte schon eine einzige falsche Kopfbewegung ihren Tod oder völlige Lähmung zur Folge haben.
Obgleich Marida beteuerte, dass sie außer den Prellungen und Schürfwunden keine Beschwerden hätte, bestand der Heilkundige energisch darauf, dass sie den Weg auf einer Trage liegend fortsetzen musste.
Während ein paar Krieger aus Ästen und Zweigen eine Tragbahre herstellen, fertigte der Heiler für Marida eine feste Halsstütze aus Baumrinde an, um so die Nackenwirbel zu stützen.
Sosehr die Kommandantin auch dagegen protestierte, es blieb ihr keine andere Wahl, als sich die unbequeme Halskrause anlegen zu lassen und auf der Trage Platz zu nehmen, die von zwei Männern durch das morastige Dickicht geschleppt wurde.
So ging es zwei Tage lang weiter, in deren Verlauf die Truppe mehrmals von riesigen, Fleisch fressenden Pflanzen mit gefährlichen Fangarmen attackiert wurde, wobei fast ein Dutzend weitere Männer und Frauen umkamen. Ein paar andere verloren ihr Leben, als sie in tückischen Schlammlöchern versanken.
Maridas Truppe war inzwischen auf nur noch achtundfünfzig Männer und Frauen zusammengeschmolzen.
Schließlich kam von der Vorhut ein Zeichen zum Halten, worauf die kleine Truppe auf der Stelle verharrte. Marida ließ sich weiter nach vorn tragen, um zu sehen, was der plötzliche Halt zu bedeuten hatte. Bevor sie aber die Spitze der kleinen Marschkolonne erreichte, kam ihr schon der Kundschafter Edwin entgegengerannt.
"Die Küste ist in Sicht!" rief er keuchend,
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