Die Zwölf Türme (German Edition)
Verwüstung dieser Welt, wie man es Euch weismachen wollte. Und Ihr könntet mir bei der Verwirklichung dieser Ziele helfen."
"Wie stellt Ihr Euch das vor?"
"Wartet einfach ab und unternehmt nichts, bis die Armeen meiner Feinde besiegt sind, die in ihrer Unwissenheit der Zauberergilde dienen, weil sie deren Werkzeuge sind. Dann zerstört die Türme mit Hilfe des Zepters. Wenn Ihr das getan habt, wird es auf ganz Nimmerwelt keine Magie mehr geben und auch die mir jetzt noch dienenden Dämonen werden für immer verschwinden. Dann wird Nimmerwelt endlich wieder eine natürliche Welt sein, in der Magie nur noch ein Aberglaube ist. Wenn das geschafft ist, könnt Ihr mir helfen, eine neue Ordnung zu schaffen, die jedem Wesen das Recht zugesteht, über sich und sein Schicksal selbst zu bestimmen. Wäre das nicht eine große und ehrenvolle Aufgabe für Euch, Anderweltmann?"
Charles fühlte sich verunsichert, denn die Worte der Uta-Gestalt erschienen ihm logisch und auch plausibel, so dass er zu argwöhnen begann, Myrddin Emrys habe ihn tatsächlich getäuscht.
Irgendwo in seinem Unterbewusstsein regte sich noch ein schwacher Funke leisen Misstrauens, aber irgendetwas trübte seinen klaren Verstand und löschte auch diese letzten Zweifel aus. Charles merkte nicht, wie er immer mehr unter den Einfluss des Dämonenlords geriet, der seine mentale Kraft sehr subtil und doch zwingend einsetzte.
Fragend schaute Charles das Zepter an, doch dieses verhielt sich still und abwartend.
Langsam kam die Uta-Gestalt näher.
"Nun? Wollt Ihr auf meine Seite wechseln?" fragte sie ihn abermals.
In diesem Moment fuhr ein Gedankenblitz durch sein Hirn:
DAS ZEPTER!
Es hatte die Macht, die Wahrheit zu offenbaren!
Fast gleichzeitig mit diesem Geistesblitz hob Charles das Zepter, trat vor und berührte damit Utas Schulter, bevor sie zurückweichen konnte.
Ein gellender, unmenschlicher, tierischer Schrei ertönte, dessen schrecklicher Klang ihm fast die Trommelfelle platzen ließ.
Die Uta-Gestalt taumelte zurück und krümmte sich wie unter grässlichen Schmerzen. Dann begann sie sich vor seinen Augen auf unheimliche Weise zu verwandeln.
Von einem Augenblick zum anderen sah Charles vor sich eine große, schimmernde Gestalt, die in ein dunkles Mönchsgewand gehüllt war. Das Wesen schien über dem Boden zu schweben wie ein Schatten, aber dennoch greifbar wie der Alpdruck eines bösen Traumes. Seine leuchtenden Augen, grünlich-gelbe Flecken in der ovalen, konturlosen Schwärze dessen, was vielleicht ein Gesicht sein mochte, schienen wie verschleiert, fast wie blind. Eine Aura von Macht und Größe, von Grausamkeit und Schrecken, von Unendlichkeit und Ewigkeit umgab das Wesen wie eine unsichtbare, gespenstische Wolke.
Dann begannen die Augen des Dämonenlords zu leuchten und Charles sah, dass sich darin etwas widerspiegelte, etwas, das sich ständig veränderte.
Ein Bild, das von Macht und Größe erzählte, von Mächten aus anderen, finsteren Dimensionen und Sphären, von der Anbetung und Beschwörung grauenhafter Wesen, von langen Jahrhunderten unter einem furchtbaren Fluch.
Ein Bild, das aber auch von Dingen erzählte, welche die Menschen mehr angingen als die Geister, ein Bild von verbrannten Höfen und erschlagenen Männern, von geschändeten Frauen und brennenden Burgen, von gebrochenen Klingen, blutgetränkten Schlachtfeldern, untergegangenen Armeen und toten Königen.
Charles lief es heiß und kalt über den Rücken, als er in diese schrecklichen Augen blickte.
Da peitschte die Stimme des Dämonenlords mit mentaler Gewalt wie ein Stromschlag durch sein Gehirn.
"LEG´ DAS ZEPTER NIEDER !"
Charles taumelte unter dem brutalen Hieb geistiger Energie; sein Schädel fühlte sich an, als ob er plötzlich in einen Schraubstock gespannt wäre.
"LEG´ ES NIEDER !!" peitschte es wieder durch seinen Kopf, dass ihm fast schwarz vor Augen wurde.
Charles brach der kalte Schweiß aus, seine Knie zitterten und schienen weich wie Butter zu sein, während er gegen die schwarzen Nebel vor seinen Augen ankämpfte. Schwindel erfasste ihn und Übelkeit stieg ihm würgend in den Hals, dass er glaubte, sich übergeben zu müssen.
"LEG´ DAS ZEPTER NIEDER !!"
Die Stimme war wie ein glühendes Messer, das in seinen Kopf hinein stach. Stöhnend und wimmernd sank Charles auf die Knie und hatte kaum noch die Kraft, das Zepter hochzuhalten. Resignation erfüllte ihn. Er fühlte sich elend, erschöpft, ausgebrannt und allein gelassen.
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